Ein dunkler Gegenpapst, der sich die Hoffnung verbietet
Blixa Bargeld und Teho Teardo im Wiener Stadtsaal
Wien – Jetzt, da die Tage wieder kürzer werden und manch einer gar nicht weiß, welchen Weltschmerz er zuerst hinunterschlucken soll, ist passende Begleitmusik im Überfluss vorhanden. Den Hype um das neue Traueralbum Skeleton Tree von Nick Cave hatte man erst halb verdaut, da stapft mit schweren Schritten ein früherer Weggefährte des Sängers in den Stadtsaal und nimmt die Haltung eines Grabredners ein.
Auch Blixa Bargeld – der Grandseigneur des Maschinenschlosser-Punk und Peter Weibel der deutschen Schauerromantik – mag es möglichst schummrig. Mit den Einstürzenden Neubauten zeigte er in den 1980er-Jahren vor, welche Melodeien sich aus Sperrmüllinstrumenten herausklopfen lassen. Danach torkelte man gewandt zwischen Avantgarde und Hochkultur, war bald mehr Bargeld als Blixa, aber vom totalen Ausverkauf doch immer noch ein gutes Stückchen respektive Schlückchen entfernt.
In Nick Cave fand der heute 57-Jährige einen Seelenverwandten, tourte jahrelang mit seiner Band The Bad Seeds – bis sich Jesus dazwischendrängte. Damit kann Bargeld nicht so. Die Sache mit Gott hat auch der italienische (Film-)Komponist Teho Teardo eher hinter sich. Mit ihm gemeinsam hat sich Bargeld vor drei Jahren ein mittleres Alterswerk zugelegt. Kennengelernt hat man sich anlässlich der Soundtrack-Aufnahmen für einen deutsch-italienischen Mafiafilm. Zwischen Berlin und Rom pendelnd, entwarfen die beiden darüber hinaus noch eine Handvoll weiterer schöner Lieder, die sie auf dem Album Still Smiling versammelten.
Zu reduzierter Gitarre, schleppender Elektronik und pathetischem Streicherwerk hört man Poesis von Meister Bargeld im mindestens zwei Oktaven tiefergelegten Joseph-Ratzinger-Gedenkitalienisch. Inhaltlich lässt man die Leerstellen nur so klaffen. Klar ist: Als Gegenpapst zum aktuellen Gegenpapst verschreibt Bargeld das Wundermittel Hoffnung allenfalls in homöopathischen Dosen.
„Hope should be a controlled substance“, singt er dann auch im Song DHX 2, zu finden auf der im April erschienenen zweiten Platte. Sie heißt Nerissimo und soll entfernt an extrastarken Espresso erinnern. Leider klingt sie mehr nach Verlängertem – ein wässriger Aufguss des Bestehenden, lauwarm und wenig eingängig.
Das Lied vom Tod, im Büro
Zum Besseren gehört noch der Titel Nirgendheim, Ernst Blochs Übersetzung von Utopie entlehnt. Dazu spielt Bargeld ein Lied vom Tod auf der Harmonika. Verstärkt mit einem hiesigen Streichquartett, sind es aber die melodiösen Hadern What if, Mi scusi, Come up and see me und A quiet life vom ersten Album, die das Publikum im würdevoll-betulichen Stadtsaal nach Zugaben rufen lassen.
Mit Zeilen wie „What a beautiful day! What a beautiful weather! But all I heard was the printing machine“schenkt uns Blixa Bargeld Bonmots fürs Büro, ansonsten taugen die Stücke ganz sicher im Italien-Auslandssemester deutschsprechender Kunstgeschichtestudenten. Das Cover von Nerissimo hat übrigens mit Hans Holbein dem Jüngeren zu tun.