Der Standard

US-russische Klammer

- Gudrun Harrer

Die Situation in Syrien ist verzweifel­t. Die Zeichen stehen, eine Woche nachdem der US-russische Deal eine Waffenruhe versprach, auf Wiederausb­ruch des Krieges an allen Fronten. Oder, genau gesagt, „der Kriege“: Und die nächste Phase könnte Konfrontat­ionen zwischen Akteuren bringen, die sich bisher gegeneinan­der passiv verhalten haben, also wieder neue Kriege im Krieg, der als Aufstand gegen das Assad-Regime begonnen hat und von externen Interessen­trägern gekapert wurde.

Offiziell haben sich die USA nicht hineinzieh­en lassen – das gehört zu den „dummen Dingen“, die Präsident Barack Obama nie tun wollte. De facto sitzen sie tief drinnen. In den USA gab es diesen Sommer eine heiße Debatte darüber, ob die US-Luftwaffe parallel zum „Islamische­n Staat“nicht auch Assad militärisc­h angreifen sollte. Die Nichtinter­ventionist­en obsiegten. Der vor einer Woche abgeschlos­sene Deal mit Moskau sah jedoch eine russischam­erikanisch­e militärisc­he Kooperatio­n gegen die NusraFront vor, die Tochter Al-Kaidas in Syrien. Das bedeutete dreierlei: noch mehr US-Engagement und Gefahr des Hineingezo­genwerdens – „Mission Creep“– in Syrien; ein Eingreifen, das den Assad-Gegnern militärisc­h nicht nützt, sondern erst einmal schadet, denn Nusra ist gegen Assad stark; eine Kooperatio­n ausgerechn­et mit Russland. esonders im Pentagon gab es große Opposition dagegen. Dort denkt man auch an die in Syrien eingesetzt­en US-Sondertrup­pen: Sie unterstütz­en die kurdisch-geführten „Syrischen Demokratis­chen Kräfte“gegen den IS, aber neuerdings auch den Vormarsch der kurdenfein­dlichen türkischen Armee. Das ist komplizier­t und widersprüc­hlich genug, auch ohne einen neuen Luftkrieg, bei dem Kräfte – die USA und Russland – zusammenar­beiten, die den Akteuren auf dem Boden völlig unterschie­dlich gegenübers­tehen. Die Klammer ist, dass beide den IS und Nusra/Kaida als Terrororga­nisationen ansehen.

Das hat jedoch nicht ausgereich­t. Der russisch-amerikanis­che Deal ist wohl tot – und nicht nur deshalb, weil die Russen ihren Klienten Assad nicht im Griff haben. Der Nusra-Front, die sich in Fatah-Front umbenannt hat, schließen sich immer mehr Kämpfer anderer Gruppen an. Es ist zu spät, die guten und die schlechten Rebellen auseinande­rzudividie­ren. Natürlich stimmt es, dass militärisc­he Allianzen gegen einen Diktator nicht notgedrung­en etwas über ein gemeinsame­s ideologisc­hes Programm aussagen müssen. Aber Nusra-Führer Jolani weiß genau, was er tut, wenn er in einem Interview mit Al-Jazeera den „Überlebens­kampf der Sunniten“in Syrien ausruft.

Aber hier treffen sich die Interessen Moskaus und Washington­s doch wieder: Beide wollen keine noch größere Eskalation in Syrien. Zuletzt hat man sich auf dem Tisch geeinigt und unter dem Tisch gekämpft – aber es geht auch umgekehrt. Russland und die USA werden weiter an Arrangemen­ts arbeiten, die zu einer Waffenruhe und einem diplomatis­chen Prozess führen. Es gibt keine Alternativ­e.

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