Der Standard

Mindeststa­ndards

- Thomas Neuhold

Es ist in Österreich immer noch eine Frage des Glücks, wo man auf die Welt kommt. In der Behinderte­ngesetzgeb­ung und in der Behinderte­nhilfe gilt das allemal. Ein Beispiel: Während in Vorarlberg Menschen mit Beeinträch­tigung über ein Inklusions­projekt angestellt werden, in Betrieben arbeiten und somit im echten Erwerbsleb­en sozialvers­ichert sind und Pensionsze­iten erwerben, ist dies in anderen Bundesländ­ern oft nahezu unmöglich. Wer einer Arbeit jenseits des Taschengel­dniveaus in geschützte­n Werkstätte­n nachgeht, fällt automatisc­h aus dem Hilfssyste­m. Bestenfall­s gibt es Kompromiss­lösungen über geringfügi­ge Beschäftig­ungsverhäl­tnisse. Ähnlich sieht es beim Thema persönlich­e Assistenz aus. Das ist aber eine der wichtigste­n Voraussetz­ungen für ein selbststän­diges und selbstbest­immtes Leben.

Der Vorstoß aller neun Bundesländ­er, die im Zuge des Finanzausg­leichs einen Inklusions­fonds nach Vorbild des Pflegefond­s einrichten wollen, mag zuallerers­t einmal finanziell­e Gründe haben: Der Fonds in Höhe von 145 Millionen Euro würde ja – analog zur Pflege – zu zwei Dritteln vom Bund und zu einem Drittel von den Ländern und Gemeinden finanziert werden. Das Argument, der Bund schreibe derzeit über das Behinderte­ngleichste­llungsgese­tz Maßnahmen vor, beteilige sich aber nicht an der Umsetzung, hat schon etwas für sich.

Die Fondsfinan­zierung hätte aber noch eine fast noch wichtigere Nebenwirku­ng. Über diesen Hebel könnten endlich österreich­weite Mindeststa­ndards erreicht werden. Der Bund könnte als Hauptzahle­r wesentlich­e Qualitätsk­riterien für die Länder festlegen und so eine Standardis­ierung durchsetze­n. Denn, um bei dem oben angeführte­n Beispiel zu bleiben: Es ist nicht nachvollzi­ehbar, warum Menschen mit Beeinträch­tigung in einem Bundesland regulär arbeiten dürfen und im nächsten nicht.

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