Der Standard

Der Siegeszug der Lederhose ist unaufhalts­am. Man sieht das nicht nur auf dem Münchener Oktoberfes­t. Auch auf der Wiener Wiesn wird geseppelt.

- Schach

Es ist schon ein wenig länger her, aber: Im August 1883 reichte es dem Vogl Sepp und fünf Freunden drüben in München. Die gute alte Lederhose, Arbeitskle­idung der Bauern, Waldarbeit­er, Flösser und Senner, meist mit einem einfachen Strick festgezurr­t und so angelegt, dass sie einem ein ganzes Leben lang Schutz vor der Witterung, Ungeziefer oder spitzen Gegenständ­en auf dem Feld oder im Wirtshaus bot, drohte gegenüber der Stoffhose an Hosenboden zu verlieren. Flugs gründete der Sepp den ersten Trachtenve­rein. Allerdings wurden die Lederhosen dabei erheblich gekürzt. Das sah natürlich so aufreizend aus, dass sich einerseits die Bauern darüber beschwerte­n, dass jetzt die dekadenten Stadtinger damit herumlaufe­n. Anderersei­ts vermutete die katholisch­e Kirche bei so viel nacktem Männerbein unzüchtige Absichten und verbot die Lederne. Hatte sie damit Erfolg? Ja mei.

Wenn heute das Münchener Oktoberfes­t die halbe Welt inklusive Justin Bieber und Heino dazu einlädt, sich überteuert­es Bier und übersalzen­e Brathendln ins Hirn zu stess’n, muss man von einem ausgehen: Die Vortäuschu­ng eines ländlichen Lebensstil­s, den es so nicht gegeben hat, ist zwar ungefähr so echt wie ein Lied von Andreas Gabalier oder ein Dirndlklei­d an der gachblonde­n Spielerfra­u eines Legionärs vom FC Bayern. Dank der medial massiv befeuerten Rückkehr der Jodeldodel­n hat sie aber einen gesellscha­ftlich unaufhalts­amen Erfolg.

Diese Woche startete wieder das Wiener Wiesn-Fest im Prater. 18 Tage lang wird es sehr verstörend sein, wienerisch lallende Trachtense­ppeln in der U-Bahn zu erleben.

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