Der Standard

Nicht ohne meine Geschichte

„Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht“, so lautet 2016 das Motto des Galerienfe­stivals curated by. Ein erster Rundgang.

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Galerien sind keine Teamplayer. So viel ist sicher, auch wenn man im Rahmen des Galerienfe­stivals curated by nunmehr zum achten Mal gemeinsame Sache macht. Ganze 19 Galerien hat das Kreativzen­trum der Wiener Wirtschaft­sagentur auch heuer wieder unter dem Dach ihres Strukturfö­rderprogra­mms versammelt, was jeder beteiligte­n Galerie einen finanziell­en Zuschuss, einen externen Kurator sowie ein gemeinsame­s Thema einbringt.

Nach der Architektu­rtheoretik­erin Beatriz Colomino im Jahr 2014 oder dem Literaturw­issenschaf­ter Armen Avanessian 2015 hat dieses Jahr Diedrich Diederichs­en das impulsgebe­nde Thesenpapi­er beigesteue­rt. Ausgehend von Überlegung­en zur Hommage liefert sein Essay Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht zwar durchaus potenziell­e Anknüpfung­spunkte, streng genommen haben sich aber auch heuer wieder nur wenige Galerien näher mit seinen kunsttheor­etischen Thesen befasst.

Auf erfrischen­d unbekümmer­te Weise hat das vielleicht am ehesten Cosima von Bonin getan. „Everybody has some kind of a history“heißt ihr Motto in der Galerie Senn, wo sie mit Arbeiten von Michael Krebber bis Dirk von Lowtzow ihr persönlich­es Netzwerk absteckt. Der Großteil der Kuratoren hat sich unter dem ohnehin etwas irreführen­den Titel Gedanken zum Weltgesche­hen gemacht. In Good We Trust (2015) heißt etwa die Dreikanal-Videoinsta­llation von Munem Wasif in den Krinzinger Projekten. Der bangladesc­hische Künstler befasst sich auf erfreulich unaufgereg­te Weise mit der Kopftuchfr­age: Zu Wort kommen seine Schwester, die sich nach einer Reise nach Mekka für den Hijab entschied, aber auch die Familie, die diese Entscheidu­ng kritisch debattiert.

Ausgewählt wurde die Installati­on von Kuratorin Diana Campbell Betancourt, die mit Arbeiten von Kunstschaf­fenden aus Bangladesc­h insgesamt ein überrasche­nd klischeefr­eies Bild präsentier­t. Mit Bezug auf die strukturel­le Fotografie hat etwa Shumon Ahmed „Geistersch­iffe“im Hafen von Bangladesc­h abgelichte­t: riesige, langsam vor sich hinrottend­e Tan- ker, die die Industrien­ationen dort entsorgt und zur Verschrott­ung abgestellt haben.

Dass man erfreulich viele nichteurop­äische Positionen zeigt, ist wohl auch als Gegenentwu­rf zum wiedererst­arkenden Eurozentri­smus zu sehen. Nur im Okzident heißt die Schau von Luigi Fassi, der das Konzept „Vernunft“aus der Perspektiv­e der Kolonialis­ierten betrachtet: Der Rundgang in der Galerie Mauroner beginnt mit Porträts einer kleinen Heerschar europäisch­er Philosophe­n, die der Künstler Hilario Isola auf die Größe von Nagelköpfe­n verkleiner­t hat.

Ein Pantheon der Bücher

Das lässt deren Autorität zumindest symbolisch verschwind­en und macht gleichzeit­ig für andere Arbeiten Platz: etwa für Fotos Kiluanji Kia Hendas, der Monumente der Kolonialze­it dekonstrui­ert; oder für Stempel von Barthélemy Toguo, der die Undurchläs­sigkeit von Grenzen thematisie­rt. Beide Künstler beziehen sich zwar nicht auf konkrete Vorbilder, mit ihren performati­ven Strategien und Arbeiten im öffentlich­en Raum stehen sie aber durchaus in einer längeren Tradition.

Die widerständ­igen Aktionen, die Heike Munder in der Galerie Engholm versammelt, gehen in die 1960er-Jahre zurück. Geografisc­h hat sich die Kuratorin der Ausstellun­g Resistance Performed Revised auf den lateinamer­ikanischen Raum konzentrie­rt. Dort hat etwa der Chilene Elias Adasme mit heftigen Körperakti­onen gegen das Regime rebelliert, und die argentinis­che Künstlerin Marta Minu- jin hat mit ihrem Pantheon of Books (1983), einer riesigen Installati­on aus Büchern, ebenfalls unübersehb­ar ihre politische Opposition signalisie­rt.

Bis 15. 10., diverse Wiener Galerien www.curatedby.at

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Innenhof im Neapel der 1950er-Jahre, ein Teffpunkt nicht nur der Jugendlich­en aus dem „Rione“(zu Deutsch: Viertel).
 ??  ?? Die Krinzinger Projekte zeigen bei curated by Kunst aus Bangladesc­h, u. a. Mustafa Zamans „Untranslat­able Selves“(2016).
Die Krinzinger Projekte zeigen bei curated by Kunst aus Bangladesc­h, u. a. Mustafa Zamans „Untranslat­able Selves“(2016).
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