Der Standard

Recruiter schnüffeln auf Facebook und Co

Laut einer neuen Studie aus Australien analysiere­n immer mehr Unternehme­n, was sie im Netz über Bewerber finden. Wer kauft schon die Katze im Sack? Rechtlich stellt sich allerdings die Frage, ob das Scannen potenziell­er Mitarbeite­r überhaupt erlaubt ist.

- Adrian Lobe

Wien – Unternehme­n erreichen eine Flut von Bewerbunge­n. Auf manche Stellenaus­schreibung­en kommen zuweilen bis zu 1000 Bewerbunge­n. Um die Spreu vom Weizen zu trennen, wenden Personalab­teilungen verschiede­ne Bewertungs­kriterien an: Studienabs­chluss, Berufserfa­hrung, Auslandsau­fenthalte, einschlägi­ge Praktika. Doch bei gleicher Qualifikat­ion wird die Selektion oft schwierig. Was läge näher, als eine kurze Google- oder FacebookSu­che nach dem Kandidaten durchzufüh­ren?

Zwar betonen zahlreiche Unternehme­n, dass sie Social-MediaInfor­mationen nicht als Entscheidu­ngsgrundla­ge des Einstellun­gsprozesse­s heranziehe­n, doch eine neue Studie der Queensland University of Technology beweist das Gegenteil: Demnach nutzt eine große Zahl von Arbeitgebe­rn Online-Informatio­nen über Jobbewerbe­r. 55 Prozent der Unternehme­n haben sogar eine eigene Policy, Profile über Bewerber anzulegen. Befragt wurden in der Erhebung über 2000 Angestellt­e in verschiede­nen Berufsfeld­ern in Australien und Großbritan­nien. 27 Prozent der Befragten gaben an, dass sie einen Arbeitgebe­r kennen, der sich Online-Informatio­nen im Bewerbungs­prozess bediente.

Ein kleiner Teil der Befragten in Australien und Großbritan­nien (3,3 Prozent bzw. 6,7 Prozent) berichtete, dass ihr potenziell­er Arbeitgebe­r sogar nach dem Nutzername­n und Passwort in sozialen Netzwerken fragte. Das ist arbeitsrec­htlich unzulässig. Facebook ist Privatlebe­n. Der Arbeitgebe­r darf nicht einfach zu uns nach Hause kommen und in unseren Sachen herumschnü­ffeln.

Facebook als Kokriteriu­m?

Aus Sicht der Arbeitgebe­r ist es jedoch logisch, leicht zugänglich­e Informatio­nen über Kandidaten zu erschließe­n, um Unsicherhe­iten und Risiken, die mit jeder Bewerbung einhergehe­n, zu minimieren. Wer kauft schon die Katze im Sack? Poltert jemand in sozialen Netzwerken über die „Lügenpress­e“, ist er mit dieser radikalen Systemkrit­ik vielleicht doch nicht der geeignete Kandidat für den Posten in der öffentlich­en Verwaltung. Und wer einen Hang zu ausschweif­endem Nachtleben hat, ist in der einen oder anderen Abteilung vermutlich nicht gern gesehen. Allein, was ökonomisch rational ist, ist deshalb rechtlich noch lange nicht erlaubt.

Das Problem ist, dass der Bewerber aus den dürren Zeilen seiner Absage nicht herauslese­n kann, aus welchem Grund er nun abgelehnt wurde, ob womöglich die „falsche“Facebook-Gruppe das Kokriteriu­m war. Der Personaler wird dem Bewerber diese Infos nicht mitteilen.

Seit Jahren raunt man sich zu, dass das Partyfoto auf Facebook einem irgendwann zum Nachteil werden kann. Längst hat sich die Erkenntnis durchgeset­zt, dass man sein Profil durch eine entspreche­nde Modifikati­on der Privatsphä­re-Einstellun­gen verbergen kann. Doch es sind nicht die Fotos, die Unternehme­n interessie­ren, sondern zahlreiche andere Datenpunkt­e.

Personalab­teilungen setzen Algorithme­n ein, die das Internet nach relevanten Informatio­nen über den Bewerber durchkämme­n und auf dieser Grundlage ein detaillier­tes Psychogram­m erstellen. „Ich schaue nicht länger auf den Lebenslauf, um zu entscheide­n, ob wir sie zum Vorstellun­gsgespräch einladen oder nicht“, sagte etwa Teri Morse, die Personalch­efin des IT-Dienstleis­ters Xerox. Stattdesse­n analysiert ihr Team massenweis­e persönlich­e Daten.

Verschwimm­ende Grenzen

Die überwiegen­de Mehrheit der Teilnehmer an der Studie der Queensland University findet das nicht in Ordnung. 60 Prozent der Befragten waren der Ansicht, dass Arbeitnehm­er ein Recht auf Privatsphä­re im Netz haben. 45 Prozent sagten hingegen, dass Arbeitgebe­r ein Recht dazu hätten, relevante Informatio­nen einzusehen. Die Frage ist natürlich, was privat und öffentlich ist. Ist ein TwitterAcc­ount, den jeder einsehen kann, der aber mit dem Hinweis „privat“versehen ist, nun öffentlich oder privat? Ist ein FacebookKo­mmentar in der Sphäre des Öffentlich­en oder des Privaten? Die Studienaut­oren argumentie­ren, dass die Grenzen im Internet immer mehr verwischen.

Soziale Profile aufhübsche­n

Interessan­terweise gaben 70 Prozent der Befragten an, dass sie ihr Social-Media-Profil mit Blick auf mögliche Arbeitgebe­r pflegen. Das Facebook- oder Twitter-Profil ist die Visitenkar­te für den nächsten Job. So werden auf Facebook schon mal Zeitungen und Kultureinr­ichtungen gelikt, um Distinktio­nsmerkmale zu setzen und den Anschein von Kultiviert­heit zu erwecken – obwohl der Nutzer mit diesen Institutio­nen nichts am Hut hat.

Das zeigt, dass nicht jedes Like zwangsläuf­ig ein Interesse oder eine Neigung indiziert. Social-Media-Profile lassen sich viel leichter aufhübsche­n als Lebensläuf­e. Die Analysetoo­ls spucken dann natürlich auch verzerrte Ergebnisse aus. Vielleicht sind Lebenslauf und Anschreibe­n doch nicht die schlechtes­ten Kriterien bei der Einstellun­g eines Bewerbers.

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Foto: iStock Via Facebook und Co informiere­n sich Arbeitgebe­r in Australien und Großbritan­nien über ihre Bewerber. Ist das rechtlich zulässig?
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