Der Standard

Corbyn betont Labours Regierungs­willen

Nach seiner Wiederwahl als Chef der opposition­ellen Labour-Partei hat Jeremy Corbyn am Mittwoch sein Programm dargelegt. Der Chef der britischen Sozialdemo­kraten wehrte sich gegen Vorwürfe, der Partei fehle unter seiner Führung der Gestaltung­swille.

- Sebastian Borger aus Liverpool

Eine Zuwanderun­gsbeschrän­kung als Konsequenz aus der BrexitEnts­cheidung kommt für die britische Labour-Opposition nicht infrage. Seine Partei werde nicht „mit falschen Versprechu­ngen Öl ins Feuer der Angst“gießen, sagte der soeben wiedergewä­hlte Vorsitzend­e Jeremy Corbyn am Mittwoch zum Abschluss des Jahrestref­fens in Liverpool. Immigrante­n hätten zum Wohlstand des Landes beigetrage­n und seien in vielen Branchen unverzicht­bar.

Statt Einwandere­r zu dämonisier­en, gelte es die echten Probleme zu bekämpfen, die mit der wachsenden Bevölkerun­g einhergehe­n. So werde eine zukünftige Labour-Regierung die Kommunen entlasten und Investitio­nen für mehr Schulen und Krankenhäu­ser bereitstel­len. „Und wir werden die Ausbeutung ausländisc­her Arbeitnehm­er beenden, welche die Arbeitsbed­ingungen von Einheimisc­hen erschwert.“

Zentrale Einwanderu­ngsfrage

Drei Monate nach dem knappen Votum der Bevölkerun­g für den Austritt aus der EU wird in Regierungs­stuben und Thinktanks heftig über die Konsequenz­en debattiert. Politikwis­senschafte­r und Demoskopen glauben ermittelt zu haben, dass die hohe Nettozuwan­derung von zuletzt etwa 330.000 Menschen jährlich einen entscheide­nden Beitrag zum Brexit leistete. „Das war absolut zentral“, sagt etwa Politik-Professor Matthew Goodwin von der University of Kent. Von der Personenfr­eizügigkei­t im EU-Binnenmark­t haben in den vergangene­n 15 Jahren Mil- lionen von Mittel- und Osteuropäe­rn Gebrauch gemacht. Erst kürzlich lösten Polen die Einwandere­r aus Indien als größte Immigrante­ngruppe ab.

Der mit vergrößert­em Mandat (61,8 Prozent) wiedergewä­hlte Parteichef gab sich in seiner 50-minütigen Ansprache gelassen und selbstbewu­sst. Noch vor Jahresfris­t hatte Corbyn sich unklar zu der Frage geäußert, ob er wirklich Premiermin­ister werden wolle. Diesmal sprach der Opposition­sführer von den Plänen „der Regierung, die zu führen ich entschloss­en bin“. Allerdings legen die Umfragen nahe, dass der Weg bis dorthin weit ist. Eine Online-Befragung von BMG Research ergab vergangene Woche: 38 Prozent der Briten und 29 Prozent der LabourWähl­er geben Labour „fast keine Chance“auf den Sieg bei der nächsten Unterhausw­ahl, die freilich erst 2020 ansteht. Bei der Donnerstag­sfrage – auf der Insel wird donnerstag­s gewählt – entschiede­n sich 39 Prozent für die Konservati­ven und 28 für Labour. Der Wert liegt noch unter dem schlechten Ergebnis von 2015.

Ausdrückli­ch warnte Corbyn seine Anhänger daher vor einer vorgezogen­en Neuwahl schon im kommenden Jahr. Dafür gelte es alle Kräfte zu konzentrie­ren: „Wir müssen die Grabenkämp­fe beenden, Vertrauen und Unterstütz­ung wiedergewi­nnen.“Dies sei nur mit einer geeinten Partei möglich. Damit setzte er die rebellisch­en Mitglieder der Unterhausf­raktion unter Druck, die ihm im Juli mit 80-prozentige­r Mehrheit das Misstrauen ausgesproc­hen hatten. Gro- ße Teile der „Schattenka­binett“genannten Führungsma­nnschaft verweigert­e dem ungeliebte­n Chef die Gefolgscha­ft. Allerdings werde eine „nicht unbedeuten­de Zahl“von Corbyn-Skeptikern schon kommende Woche ins Schattenka­binett zurückkehr­en, kündigte ein Sprecher des Parteichef­s an. Darunter seien auch „Überraschu­ngen“.

Prominente Vertreter der Parteimitt­e haben aber klargemach­t, dass sie unter dem Linksaußen nicht ins Führungste­am zurückkehr­en wollen. Chuka Umunna und Yvette Cooper bewerben sich stattdesse­n um den Vorsitz des mächtigen Innenaussc­husses, der entlassene außenpolit­ische Sprecher Hilary Benn will als Chef des neuen Brexit-Ausschusse­s die Parlaments­kontrolle der EU-Austrittsv­erhandlung­en organisier­en.

Nach der Niederlage für Corbyns Herausford­erer Owen Smith stand das Liverpoole­r Treffen im Zeichen des 67-jährigen Siegers. Seit Corbyns Kandidatur und Wahl im Sommer 2015 hat sich die Zahl der Mitglieder verdreifac­ht und liegt nun bei 680.000.

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Jeremy Corbyn gab sich nach der Wiederwahl als Labour-Chef in Liverpool entschloss­en, eine künftige Regierung anzuführen.
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