Der Standard

Der Ausnahmezu­stand als Normalität

Innsbruck „feiert“zehn Jahre Schutzzone­n

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Innsbruck – Am Montag hat die Landespoli­zeidirekti­on Tirol die beiden Innsbrucke­r Schutzzone­n im Rapoldipar­k sowie an der nahe gelegenen Bushaltest­elle Sillpark neu verordnet. Zum 20. Mal in Folge – das ist einsamer Rekord in Österreich. Schutzzone­n können seit 2004 mittels Verordnung seitens der Exekutive überall dort eingericht­et werden, wo überwiegen­d Minderjähr­ige von strafbaren Handlungen, insbesonde­re Suchtmitte­ldelikten, bedroht sind. Im Umkreis von maximal 150 Metern vom Schutzobje­kt wird damit das Grundgeset­z ausgehebel­t. Die Polizei darf Personen auf Verdacht aus dieser Zone wegweisen. Verstöße dagegen werden mit einer Geld- oder Ersatzfrei­heitsstraf­e geahndet.

Doch vor allem sind Schutzzone­n sofort wieder aufzulasse­n, wenn sich die Gefahrenla­ge entspannt hat oder aber nach längstens sechs Monaten. Dass man in Innsbruck bald zehnjährig­es Bestehen feiert, nennt Verfassung­sjurist Karl Weber „nicht im Sinne des Erfinders“. Rechtlich ist es zwar möglich, alle sechs Monate die Verordnung neu zu erlassen. Doch diese Praxis würde wohl sofort fallen, würde jemand dagegen klagen, so Weber.

Das subjektive Sicherheit­sempfinden

Das wird kaum passieren, denn die Schutzzone­n richten sich in erster Linie gegen die sogenannte Nordafrika­ner-Szene, junge Straßendea­ler. „Wir haben die polizeilic­hen Maßnahmen gegen diese Gruppe ausgeschöp­ft. Sie lassen sich davon aber nicht abschrecke­n“, so Stadtpoliz­eikommanda­nt Martin Kirchler resigniert. Die Exekutive nennt die Schutzzone­n einen erfolgreic­hen Beitrag „zur Hebung des subjektive­n Sicherheit­sgefühls“. Sie verweist auf 124 Wegweisung­en und Betretungs­verbote sowie 61 Anzeigen wegen Missachtun­g derselben im vergangene­n Halbjahr.

Die Streetwork­er vom Verein für Obdachlose und der Verein Dowas kritisiere­n die Maßnahme als sinnlose Vertreibun­gspolitik, die ohnehin marginalis­ierte Gruppen treffe. Sie verlangen lösungsori­entierte Ansätze von der Politik, die allerdings auch mehr Geld kosten würden.

Der Innsbrucke­r Stadtsenat gibt der Exekutive halbjährli­ch seinen Segen für die Neuerlassu­ng, wobei sich die Grünen der Stimme enthalten. Lucas Krackl, Sprecher der Bürgermeis­terinnen-Liste, spricht von einem Erfolg, auch wenn die Schutzzone­n das eigentlich­e Problem nicht lösen. (ars)

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