Anleger mögen weiße Westen
Bei Nachhaltigkeit hinken Unternehmen ihren Geldgebern einen Schritt hinterher, wie aus einer Studie hervorgeht. Denn Investoren legen mehr Wert auf nachhaltiges Agieren, als viele Firmenlenker denken.
Wien – Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt bei privaten und professionellen Anlegern stetig an Bedeutung – ein Umstand, der noch nicht in allen Führungsetagen von Unternehmen angekommen zu sein scheint. Gemäß einer weltweiten Erhebung des Beratungsunternehmens Boston Constulting Group glauben bloß 60 Prozent der Firmenlenker, dass Nachhaltigkeit einen großen Einfluss auf die Investmententscheidungen der Anlegerschaft ausübt. Tatsächlich spielt es für wesentlich mehr Geldgeber eine gewichtigere Rolle, nämlich weltweit für drei Viertel – und in Österreich und Deutschland sogar für annähernd 90 Prozent.
„Die Studie hat das klare Bild ergeben, dass das Thema Nachhaltigkeit vom Management vieler Unternehmen noch unterschätzt wird“, sagt Co-Autor Holger Rubel, Senior Partner bei Boston Consulting, im Gespräch mit dem STANDARD. Viele würden Nachhaltigkeit zu einseitig als Kostenfaktor betrachten. „Das Thema Moral spielt eine Rolle, aber nur Gutmenschentum allein reicht nicht“, meint er unter Verweis auf die Vorteile für die Unternehmen: Dazu zählt Rubel etwa das Marketing dank größerer Kundenakzeptanz als direkten Wettbewerbsvorteil und geringere Finanzierungskosten aufgrund höherer Nachfrage seitens der Investoren.
Im Umkehrschluss wäre nämlich für fast zwei Drittel der Anleger aus Österreich und Deutschland eine schlechte Nachhaltigkeitsleistung Grund genug, um die Wertpapiere betroffener Emittenten aus ihren Portfolios zu verbannen. Rubel verweist in diesem Zusammenhang auf Investoren wie den riesigen, nachhaltig agierenden norwegischen Staatsfonds. Dieser hat im Vorjahr nämlich 73 Unternehmen wegen Verstößen gegen die Investmentrichtlinien aus dem Aktienportfolio geworfen, die meisten wegen des übermäßigen Ausstoßes von Treibhausgasen.
Effiziente Ressourcennutzung
In der Wahrnehmung sei Nachhaltigkeit zumeist mit dem Thema Klima verbunden und weniger mit den Imputfaktoren. „Für viele Unternehmen sind auch Ressourcen ein wichtiger Bestandteil der Wertschöpfung“, sagt Rubel hinsichtlich des effizienten Einsatzes von Rohstoffen oder Energie – wobei auch Recycling eine wichtige Rolle spiele. „Wenn man es schafft, das effizient einzusetzen, kann es Kostenvorteile für das Unternehmen haben. Das wird aber noch unterschätzt.“
Offenbar auch von den Geldgebern, wie eine Umfrage von Allianz Global Investors zeigt: Nur acht Prozent der Befragten gaben an, wegen einer höheren erwarteten Rendite auf nachhaltige Anlagen zu setzen. Mit 38 Prozent war der am häufigsten genannte Grund, Industrien zu meiden, die man für unmoralisch halte. Grundsätzliche Unternehmenspolitik ist für 31 Prozent die Motivation für nachhaltiges Investieren, und 19 Prozent wollen Reputationsrisiken vermeiden.
Nachteile brauchten Anleger, die auf nachhaltig geführte Investitionen setzen, nicht zu befürchten, betont Georg Lemmerer vom Bankhaus Schellhammer & Schattera: „Es gibt absolut keinen Renditenachteil bei Nachhaltigkeit.“Dafür eine andere, erwünschte Auswirkung auf ein Gesamtportfolio in Form eines geringeren Risikos, denn die Schwankungsbreiten würden geringer ausfallen. „Die Volatilität ist niedriger, es gibt weniger Spitzen nach oben oder unten“, erläutert Lemmerer.
Das heißt aber nicht, dass man bei nachhaltigen Veranlagungen nur auf defensive Unternehmen setzen und auf schnell expandie- rende Unternehmen verzichten müsse, denn: „Ohne Wachstumsfantasie ist das Ganze nicht nachhaltig, sonst zehrt es sich selbst irgendwann auf.“Hinsichtlich der Titelauswahl meint er, dass europäische Unternehmen zwar grundsätzlich nachhaltiger agieren würden als ihre Pendants aus den USA, sonst sei die regionale Gewichtung aber frei. Auch Schwellenländer seien grundsätzlich ein Thema.
Bei Emerging Markets mögen viele bloß an Dunstglocken über Chinas Millionenstädten oder die Wasserverschmutzung des Ganges in Indien denken – nicht jedoch Boston-Consulting-Experte Rubel. Die Schwellenländer hätten zwar noch immer einen gewissen Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeit, seien dafür aber in manchen Teilbereichen wie etwa Plastikrecycling sogar führend. „Wir sehen den Trend, dass auch in Wachstumsmärkten immer mehr über Nachhaltigkeit nachgedacht wird“, fasst Rubel die Entwicklung zusammen.