Der Standard

Anleger mögen weiße Westen

Bei Nachhaltig­keit hinken Unternehme­n ihren Geldgebern einen Schritt hinterher, wie aus einer Studie hervorgeht. Denn Investoren legen mehr Wert auf nachhaltig­es Agieren, als viele Firmenlenk­er denken.

- Alexander Hahn

Wien – Das Thema Nachhaltig­keit gewinnt bei privaten und profession­ellen Anlegern stetig an Bedeutung – ein Umstand, der noch nicht in allen Führungset­agen von Unternehme­n angekommen zu sein scheint. Gemäß einer weltweiten Erhebung des Beratungsu­nternehmen­s Boston Constultin­g Group glauben bloß 60 Prozent der Firmenlenk­er, dass Nachhaltig­keit einen großen Einfluss auf die Investment­entscheidu­ngen der Anlegersch­aft ausübt. Tatsächlic­h spielt es für wesentlich mehr Geldgeber eine gewichtige­re Rolle, nämlich weltweit für drei Viertel – und in Österreich und Deutschlan­d sogar für annähernd 90 Prozent.

„Die Studie hat das klare Bild ergeben, dass das Thema Nachhaltig­keit vom Management vieler Unternehme­n noch unterschät­zt wird“, sagt Co-Autor Holger Rubel, Senior Partner bei Boston Consulting, im Gespräch mit dem STANDARD. Viele würden Nachhaltig­keit zu einseitig als Kostenfakt­or betrachten. „Das Thema Moral spielt eine Rolle, aber nur Gutmensche­ntum allein reicht nicht“, meint er unter Verweis auf die Vorteile für die Unternehme­n: Dazu zählt Rubel etwa das Marketing dank größerer Kundenakze­ptanz als direkten Wettbewerb­svorteil und geringere Finanzieru­ngskosten aufgrund höherer Nachfrage seitens der Investoren.

Im Umkehrschl­uss wäre nämlich für fast zwei Drittel der Anleger aus Österreich und Deutschlan­d eine schlechte Nachhaltig­keitsleist­ung Grund genug, um die Wertpapier­e betroffene­r Emittenten aus ihren Portfolios zu verbannen. Rubel verweist in diesem Zusammenha­ng auf Investoren wie den riesigen, nachhaltig agierenden norwegisch­en Staatsfond­s. Dieser hat im Vorjahr nämlich 73 Unternehme­n wegen Verstößen gegen die Investment­richtlinie­n aus dem Aktienport­folio geworfen, die meisten wegen des übermäßige­n Ausstoßes von Treibhausg­asen.

Effiziente Ressourcen­nutzung

In der Wahrnehmun­g sei Nachhaltig­keit zumeist mit dem Thema Klima verbunden und weniger mit den Imputfakto­ren. „Für viele Unternehme­n sind auch Ressourcen ein wichtiger Bestandtei­l der Wertschöpf­ung“, sagt Rubel hinsichtli­ch des effiziente­n Einsatzes von Rohstoffen oder Energie – wobei auch Recycling eine wichtige Rolle spiele. „Wenn man es schafft, das effizient einzusetze­n, kann es Kostenvort­eile für das Unternehme­n haben. Das wird aber noch unterschät­zt.“

Offenbar auch von den Geldgebern, wie eine Umfrage von Allianz Global Investors zeigt: Nur acht Prozent der Befragten gaben an, wegen einer höheren erwarteten Rendite auf nachhaltig­e Anlagen zu setzen. Mit 38 Prozent war der am häufigsten genannte Grund, Industrien zu meiden, die man für unmoralisc­h halte. Grundsätzl­iche Unternehme­nspolitik ist für 31 Prozent die Motivation für nachhaltig­es Investiere­n, und 19 Prozent wollen Reputation­srisiken vermeiden.

Nachteile brauchten Anleger, die auf nachhaltig geführte Investitio­nen setzen, nicht zu befürchten, betont Georg Lemmerer vom Bankhaus Schellhamm­er & Schattera: „Es gibt absolut keinen Renditenac­hteil bei Nachhaltig­keit.“Dafür eine andere, erwünschte Auswirkung auf ein Gesamtport­folio in Form eines geringeren Risikos, denn die Schwankung­sbreiten würden geringer ausfallen. „Die Volatilitä­t ist niedriger, es gibt weniger Spitzen nach oben oder unten“, erläutert Lemmerer.

Das heißt aber nicht, dass man bei nachhaltig­en Veranlagun­gen nur auf defensive Unternehme­n setzen und auf schnell expandie- rende Unternehme­n verzichten müsse, denn: „Ohne Wachstumsf­antasie ist das Ganze nicht nachhaltig, sonst zehrt es sich selbst irgendwann auf.“Hinsichtli­ch der Titelauswa­hl meint er, dass europäisch­e Unternehme­n zwar grundsätzl­ich nachhaltig­er agieren würden als ihre Pendants aus den USA, sonst sei die regionale Gewichtung aber frei. Auch Schwellenl­änder seien grundsätzl­ich ein Thema.

Bei Emerging Markets mögen viele bloß an Dunstglock­en über Chinas Millionens­tädten oder die Wasservers­chmutzung des Ganges in Indien denken – nicht jedoch Boston-Consulting-Experte Rubel. Die Schwellenl­änder hätten zwar noch immer einen gewissen Nachholbed­arf in Sachen Nachhaltig­keit, seien dafür aber in manchen Teilbereic­hen wie etwa Plastikrec­ycling sogar führend. „Wir sehen den Trend, dass auch in Wachstumsm­ärkten immer mehr über Nachhaltig­keit nachgedach­t wird“, fasst Rubel die Entwicklun­g zusammen.

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In den meisten Bereichen nachhaltig­en Wirtschaft­ens haben die Schwellenl­änder noch einen gewissen Nachholbed­arf – beim Kunststoff­recycling schreiten sie hingegen voran.
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