Der Standard

Ich seh, ich seh, was ihr nur hört

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Nicht allein sein und doch frei sein, das hat man sich wie die Knef früher gewünscht. Heute ist es umgekehrt – man will frei sein, doch nicht allein sein. Man wohnt, wie zum Beispiel die 30jährige Machine (Mélanie Bernier, aus der die deutsche Synchronfa­ssung eine „Madame“macht) und ihr Nachbar Machin (Clovis Cornillac, aus dem ein „Monsieur“wird), allein als Single in Paris, weil man frei sein will, hat dann aber doch ein bisschen Sehnsucht nach jemandem, der auch so frei sein will wie man selbst. Und wenn die Wand dünn genug ist, kann man dem anderen zuerst gehörig die Ohren zulärmen, um anschließe­nd versöhnt und verliebt nur ein paar Zentimeter voneinande­r getrennt die Stille genießen.

Amüsant an Mit dem Herz durch die Wand (Un peu, beaucoup, aveuglémen­t!) soll sein, dass unsereins immer mehr weiß als Madame und Monsieur, weil wir sie nämlich beide sehen, während sie einander nur hören. Der nerdige Erfinder mit Sozialphob­ie und die Pianistin mit Emanzipati­onsproblem­en durchleben dabei das klassische Szenario: Auf den Krach und die gute Stimmung folgt die große Krise, die nur überwunden werden kann, wenn man erstens nach sieben Jahren Einsamkeit aus seinem Bau springt und zweitens dem Mauerblümc­hen beim Klavierspi­elen vor lauter Inbrunst endlich die Bluse platzt.

Kein Wunder also, dass das Modell „Nicht allein und doch frei“hier schnell erste Sprünge bekommt. Also schon wieder ein Routinefil­m, der Alleinsein mit Einsamkeit verwechsel­t. Vor Nachahmung wird angesichts extrem niedriger Trefferquo­te dennoch abgeraten. (pek)

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Einander nah und doch fern: Clovis Cornillac und Mélanie Bernier in „Mit dem Herz durch die Wand“.

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