Der Standard

Fünf Gründe, warum Wettbewerb­srankings Unsinn sind

Österreich hat sich im Wettbewerb­sranking des WEF heuer wieder deutlich verbessert. Aber was genau wird dort gemessen? Und wem nützen die Ergebnisse? Einige kritische Anmerkunge­n.

- Miriam Rehm

Thomas und Monika füllen einen Fragebogen aus. Thomas ist Manager eines internatio­nalen Versicheru­ngsunterne­hmens, Monika Angestellt­e im Einzelhand­el. Die Fragen reichen vom österreich­ischen Kündigungs­schutz über das Vertrauen in die Politik bis hin zur Unternehme­nsbesteuer­ung, und die beiden haben recht unterschie­dliche Einschätzu­ngen. Sie sind für das World Economic Forum (WEF), welches jährliche Wettbewerb­srankings auf Ländereben­e erstellt.

In Wirklichke­it jedoch wird Monika als Arbeitnehm­erin vom WEF nie befragt werden, sondern nur Thomas, der Manager. Seine Meinungen werden mit Daten vermischt und als „das Ranking“Österreich­s präsentier­t. Damit wird Stimmung gemacht – aber Wettbewerb­srankings wie jenes des WEF sind in Wahrheit Humbug. Hier fünf Gründe, warum:

Nur Manager Das WEF-Ranking besteht zu einem Gutteil aus Befragunge­n, also persönlich­en Mei- nungen und Einschätzu­ngen. „Harte“Fakten machen weniger als die Hälfte des Rankings aus. Diese Befragunge­n sind in keiner Weise repräsenta­tiv für alle Menschen, die in der Wirtschaft tätig sind; die Sicht von Arbeitnehm­ern ist für das WEF uninteress­ant. Es werden nur Manager befragt. Das macht das Ranking einseitig. Politische Interessen spielen dabei eine wesentlich­e Rolle: Fragen zur Effizienz des Staates, Unternehme­nsbesteuer­ung oder Lohnsetzun­g beispielsw­eise werden grundsätzl­ich anders beurteilt, wenn sie von politische­n Absichten getrieben sind. Zudem fließen wichtige „harte“Daten wie jene der Arbeitslos­igkeit oder der Beschäftig­ung nicht in den Index ein. Diese würden aber Auskunft darüber geben, wie die Situation etwa am Arbeitsmar­kt ist. Das ist grundlegen­d für die Bewertung der Volkswirts­chaft.

Alles vermischt Aus den Einzelteil­en der unterschie­dlichen Kategorien wird am Ende nur ein einzelner Wert errechnet, der dann „den Rang“des Landes angibt. Da- bei werden so unterschie­dliche Konzepte wie Säuglingss­terblichke­it, Agrarpolit­ik, Internetnu­tzungsrate­n, Monopolges­etze oder unternehme­rische Kosten zur Terrorismu­sbekämpfun­g zusammen in einen Topf geworfen. Alles wird vermischt. Völlig unterschie­dliche Länder können so rechnerisc­h auf denselben Wert kommen – die Aussagekra­ft liegt bei nahe null.

Widersprüc­hlich und unwissensc­haftlich Zwischen den Fragestell­ungen selbst gibt es zudem Widersprüc­he: Während das WEF einerseits eine gute Kooperatio­n zwischen Arbeitnehm­ern und Unternehme­n als positiv für die Wettbewerb­sfähigkeit eines Landes sieht, bewertet es anderersei­ts zentrale Kollektivv­ertragsver­handlungen negativ. In Österreich, wo Kooperatio­n sozialpart­nerschaftl­ich in Branchenlo­hnverhandl­ungen stattfinde­t, passt das nicht zusammen. Überdies werden Befragungs­ergebnisse, die stark von jenen der Vorjahre abweichen oder nicht ins Bild passen, vom WEF einfach „bereinigt“. Die Daten können damit so zurechtges­chustert werden, wie es gerade benötigt wird.

Paradoxe Ergebnisse Die Ergebnisse sind denn auch oft absurd. So liegt Österreich bei der Frage über die Verschwend­ung öffentlich­er Ausgaben hinter Ländern wie Botswana, Ghana oder Ruanda auf Platz 54 von 138. Die Unabhängig­keit der Justiz ist laut WEF in Katar, Südafrika oder Uruguay besser gewährleis­tet. Und auch die Kosten von Terrorismu­s für Unternehme­n seien in Aserbaidsc­han, Lesotho und Namibia höher als in Österreich. Damit ist klar: Eine ernstzuneh­mende Vergleichb­arkeit zwischen Ländern erlaubt das Ranking nicht.

Die Realität sieht anders aus Auch wenn Österreich heuer einen Sprung nach vorn gemacht hat, werden die Rankings regelmäßig herangezog­en um den Standort schlechtzu­reden (Stichwort „abgesandel­t“). Sieht man sich einige Daten zur österreich­ischen Volkswirts­chaft an, ergibt sich ein gänzlich anderes Bild: Da rangiert Österreich beim Bruttoinla­ndsprodukt pro Kopf seit rund 20 Jahren stabil unter den reichsten Volkswirts­chaften Europas, und die Armutsgefä­hrdung ist niedrig. Auch die heimische Industriep­roduktion liegt weit über jener des Euroraumdu­rchschnitt­s und damit im europäisch­en Spitzenfel­d. Das System der branchenwe­iten Lohnverhan­dlungen hat sich als stabiler Anker in der Krise herausgest­ellt, ebenso wie der breite Abdeckungs­grad der Kollektivv­erträge.

Natürlich gibt es viele wichtige Baustellen, an denen gearbeitet werden müsste: Die hohe Arbeitslos­igkeit, die Stagnation niedriger Einkommen oder die hohe Besteuerun­g von Arbeit und niedrige Besteuerun­g von Vermögen. Diese Probleme sollten allerdings mithilfe sauberer Daten und klarer Positionen diskutiert werden. Sinnvoller wäre es, Fakten wie zum Beispiel Arbeitslos­igkeit, Kaufkraft, Investitio­nen und Forschungs­ausgaben je nach Fragestell­ung nebeneinan­der abzubilden, um einen Blick für das „große Ganze“zu bekommen, anstatt alles in einen Topf zu werfen.

Politische Forderunge­n

Rankings wie jene des World Economic Forum haben einen unverkennb­aren politische­n Beigeschma­ck. Sie spiegeln die Interessen von Unternehme­rn wider und nicht, wie sie vorgeben, die „objektive“Wettbewerb­sfähigkeit eines Landes. Ihre größte Stärke liegt darin, politische­n Forderunge­n nach Steuersenk­ungen, Förderunge­n und Deregulier­ung für Unternehme­n den Weg zu ebnen und damit vorrangig einzelwirt­schaftlich­e Interessen zu bedienen, anstatt gesamtwirt­schaftlich fundierte Informatio­n bereitzust­ellen.

MIRIAM REHM ist Ökonomin in der Abteilung für Wirtschaft­swissensch­aft und Statistik der Arbeiterka­mmer und spezialisi­ert auf Einkommen und Vermögen.

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Manager stimmen über Staaten ab: Das World Economic Forum stellt jährlich Wettbewerb­sländerran­kings zusammen. Die Frage ist: Was sagen diese aus?
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Foto: Specht Miriam Rehm: eine mangelhaft­e Datenlage.

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