Schwieriger Rechtsstreit um Negativzinsen
Gerichtsurteilen zugunsten von Kreditnehmern steht Natur des Vertrages entgegen
Wien – Durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank sind Referenzzinssätze wie der Euribor bereits in den negativen Bereich gerutscht. Während österreichische Banken für Einlagen keine Negativzinsen verrechnen, stellt sich die Frage, ob Banken jenen Kunden, die in Kreditverträgen variable Kreditzinsen vereinbart haben, Geld zahlen müssen, wenn der vereinbarte Aufschlag geringer als der negative Wert des Referenzsatzes ist.
Mehrere Banken haben ihre Kunden verständigt, dass sie entweder einen Betrag von zumindest null oder in der Höhe des vereinbarten Aufschlags verrechnet würden, unabhängig von vertraglichen Regelungen, die einen solchen Mindestzins nicht vorsehen. Banken behaupten, dass bei Vertragsabschluss die Kreditvertragsparteien nicht mit einem negativen Referenzzinssatz gerechnet hatten und daher eine planwidrige Vertragslücke vorliege, die durch Einfrieren des Zinssatzes geschlossen werden müsste.
Dagegen haben Verbraucherverbände geklagt. Das Handelsgericht Wien hat bereits zum zweiten Mal – nicht rechtskräftig – eine Bank zur Zahlung von Negativzinssätzen an Kreditnehmer verpflichtet. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass vereinbarte Zinsanpassungsklauseln weder Ober- noch Untergrenze kennen. Es wäre der Bank zudem offen gestanden, bei Abschluss der Kreditverträge Beschränkungen der Zinsentwicklung nach oben sowie nach unten in gleicher Weise vorzusehen. Aber diese Auslegung des Gerichtes ist nicht unumstritten.
Ergänzende Auslegung
Unproblematisch ist es, wenn sich im Kreditvertrag Anhaltspunkte finden, mit deren Hilfe man die Antwort durch einfache Vertragsauslegung ermitteln könnte. Ansonsten ist der Vertrag ergänzend auszulegen. Dabei ist zu prüfen, ob es dem tatsächlichen oder hypothetischen Willen der Parteien eines Kreditvertrages entspricht, wenn die Bank dem Kreditnehmer für die Zurverfügungstellung der Kreditvaluta ein Entgelt in Form von Zinsen zu zahlen hat.
Gegen eine solche Verpflichtung spricht, dass Kreditverträge entgeltlich sind. Das ergibt sich bereits aus der Legaldefinition des § 988 ABGB, der Kreditverträge als entgeltliche Darlehensverträge über Geld definiert und ausdrücklich davon ausgeht, dass die Zinsen vom Kreditnehmer und nicht vom -geber zu bezahlen sind. Diesem Grundgedanken folgend, entspricht dies auch der Natur und dem Wesen eines Kreditgeschäfts.
Dadurch kann argumentiert werden, dass eine variable Zinsenvereinbarung, die bei entsprechender Entwicklung des Indikators dazu führen kann, dass der Zinssatz null oder sogar negativ wird, weder dem typischen Willen der Parteien noch dem gesetzlichen Leitbild und der Natur eines Kreditvertrages entspricht und daher im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu korrigieren sein müsste.
Für Kreditinstitute empfiehlt es sich jedenfalls, bei der Verhandlung von Neuverträgen die Folgen von negativen Referenzzinssätzen auf die Zinsberechnung ausdrücklich im Vertragstext festzuhalten. Aber wie immer die laufenden Verfahren in den Instanzen ausgehen: Die Weichen für Negativzinsen sind möglicherweise bereits gestellt.