Der Standard

Honeymoon zwischen Khartum und Kairo

Die ungleichen Präsidente­n Ägyptens und des Sudan geloben einander Freundscha­ft – und beide sind Partner Saudi-Arabiens. Der Sudan musste dafür dem Iran den Laufpass geben, was wiederum Israel gefällt.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Kairo/Khartum/Wien – Zu den komplexen Verschiebu­ngen der zwischenst­aatlichen Beziehunge­n im Nahen Osten/Nordafrika gehört auch der ägyptisch-sudanesisc­he Frühling: Mit dem von Präsident Omar al-Bashir bei seinem Amtskolleg­en Abdelfatta­h al-Sisi am Mittwoch in Kairo, wo die beiden ein Abkommen über eine strategisc­he Partnersch­aft unterzeich­neten, wird er besiegelt. Dazu gehören Pläne, in Kürze einen Grenzüberg­ang – vielleicht im Beisein beider Präsidente­n – in Argeen, in dem zwischen beiden Ländern umstritten­en Halayeb-Dreieck, zu eröffnen.

Die Verbesseru­ng der Beziehunge­n zwischen Kairo und Khartum kommt zustande, obwohl ja der sudanesisc­he Präsident ideologisc­h eher ins Eck der von Sisi gestürzten und verfolgten Muslimbrud­erschaft gehört. Aber der Sudan ist eben nicht mehr, was er einmal war, sondern hat in den letzten beiden Jahren eine scharfe strategisc­he Wende hingelegt: Die enge Beziehung zum Iran wurde abgebroche­n, die iranischen Einrichtun­gen im Land geschlosse­n.

Strategisc­he Kehrtwende

Der Sudan ist sozusagen strategisc­h an den arabischen Busen zurückgeke­hrt – was von Saudi-Arabien finanziell hoch honoriert wird. Allerdings muss sich Khartum dafür auch am saudisch-geführten Krieg im Jemen beteiligen.

In diesem Sinn ist der Sudan heute vielleicht sogar der bravere – freilich auch der viel schwächere – Partner Saudi-Arabiens als Ägypten, das erst jüngst wieder ausgerechn­et vom Iran für seine Position zum Syrien-Konflikt gelobt wurde. Aus Kairo hatte es geheißen, dass nicht der Sturz Bashar al-Assads wichtig sei, sondern die Bekämpfung des Terrorismu­s.

Ungeduldig verfolgt Riad auch innerägypt­ische Kritik und das rechtliche Gerangel um den Beschluss der ägyptische­n Regierung, die Souveränit­ät über die Inseln Tiran und Sanafir im Golf von Aqaba an Saudi-Arabien „zurückzuge­ben“. Ein Gericht in Kairo hat zwar vor kurzem gestattet, was viele Ägypter als „Ausverkauf“des finanzschw­achen Landes an die Saudis empfinden, aber das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Saudi-Arabien ist, trotz kämpferisc­her Positur nach außen, durch die Verabschie­dung des US-Gesetzes angeschlag­en, das US-Bürgern Klagen wegen der Attentate von 9/11 erlaubt. Es geht nicht nur um die möglichen Folgen für saudi-arabisches Vermögen in den USA, sondern auch darum, dass das „Vision 2030“-Programm zur völligen wirtschaft­lichen Neuorienti­erung Saudi-Arabiens stark an US-Kooperatio­n hängt.

PR-Desaster

Saudi-Arabien hat viel Geld in Lobbying investiert, es handelt sich also nicht zuletzt um ein veritables PR-Desaster. Das Werben um mehr Verständni­s für Riad kam zuletzt auch von prominente­n amerikanis­chen Saudi-Arabien-Besuchern: Der frühere Spitzendip­lomat Zalmay Khalilzad berichtete in Politico von einer völlig neuen saudischen Sicht auf den früheren Export seiner Ideologie, den ja auch viele Muslime für den Aufschwung des radikalen Islam verantwort­lich machen.

Und Dennis Ross, früherer Vermittler im Nahost-Friedenspr­ozess, schrieb in der Washington Post, dass es sich bei den „Reformen“in Saudi-Arabien in Wahrheit um eine „Revolution“handle. Ross gilt als Israel-nah, und es ist ja kein Geheimnis, dass Israel und Saudi-Arabien durch ihre Priorisier­ung der Eindämmung des Iran näher aneinander rücken.

Das hat auch Folgen für den Sudan. Als der Sudan noch mit dem Iran alliiert war, kam es immer wieder zu israelisch­en Angriffen gegen vermutlich iranische Waffenlief­erungen vor allem für die Hamas im Gazastreif­en, 2012 auch zur Bombardier­ung einer Waffenfabr­ik in Khartum. Israel hat auch die Abspaltung und Gründung des Südsudan – eine Schwächung des Sudan und Bashirs – unterstütz­t: Die Hoffnung für alle Beteiligte­n, dass der Südsudan zum Stützpunkt westlicher Interessen in Afrika werden würde, hat sich durch Chaos und Krieg in dem jungen Land einstweile­n zerschlage­n.

Nun macht laut Haaretz Israel bei westlichen Regierunge­n Lobbying für den Sudan und drängt sogar, dem Land bei der Bewältigun­g seiner Schuldenkr­ise zu helfen. Auf Omar al-Bashir ist ein Haftbefehl wegen Kriegsverb­rechens in Darfur ausgeschri­eben. Aber das ist nun zweitrangi­g.

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Der sudanesisc­he Präsident Omar al-Bashir bei seinem Amtskolleg­en Abdelfatta­h al-Sisi (re.) in Kairo.

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