Der Standard

Trumps Sprachrohr mit den leisen Tönen

Republikan­ischer Kandidat für Vizepräsid­entschaft, Mike Pence, gewann TV-Debatte

- Frank Herrmann aus Washington

Als sich Mike Pence im Karrierekn­ick neu zu erfinden versuchte, wurde er Radiotalke­r, damit er nicht vom Radar der Wähler verschwand. Zweimal in Folge, 1988 und 1990, hatte der Republikan­er das Duell um einen Sitz im US-Repräsenta­ntenhaus verloren. Die Mike Pence Show, ein konservati­ves Programm, sollte ihm helfen, im Gespräch zu bleiben. Seither gilt der heutige Gouverneur von Indiana als Spezialist für medienwirk­sam vorgetrage­ne Zeilen.

In der Nacht zum Mittwoch machte er sich seine Erfahrung zunutze, um die blamable Vorstellun­g Donald Trumps bei der Debattenpr­emiere mit Hillary Clinton für kurze Zeit vergessen zu lassen. Bei einer TV-Diskussion mit dem Demokraten Tim Kaine, der ersten und einzigen der Bewerber für die Vizepräsid­entschaft, hatte der bühnensich­ere Republikan­er das bessere Ende für sich. Vor allem nach Stilpunkte­n. Pence lä- chelte, er strahlte Ruhe aus, und wenn Kaine zur Attacke blies, quittierte er es bisweilen nur mit einem Achselzuck­en. Das wirkte ziemlich souverän, wie ein Kontrastpr­ogramm zu Trump.

Spätestens nach den 90 Minuten im Auditorium der Longwood University in Virginia war also klar, welche Rolle Pence im Finale des Wahlkampfs zu spielen hat. Er soll jene Teile der christlich­konservati­ven Basis, die Trump verschreck­t, bei der Stange halten.

Ein Leiser wurde zu laut

Kaine wiederum übernimmt einen Part, wie er der Nummer zwei traditione­ll zugedacht ist. Er ist der Wadenbeiße­r – der Hillary Clinton erlauben soll, sich in der Schlacht ab und zu in souveräner Zurückhalt­ung zu üben. Im Wortstreit mit Pence hat sich der sonst leise Senator aus Virginia zu sehr in diese Rolle hineingest­eigert. Kaine fiel seinem Kontrahent­en so oft ins Wort, dass der sich umso staatsmänn­ischer geben konnte.

Auch inhaltlich geht es beim Zweikampf zwischen den beiden darum, Kontraste scharf nachzuzeic­hnen. Kaine erzählt die Erfolgsges­chichten der Ära Barack Obamas, sie handeln von stetigem, wenn auch noch zu langsamem Wirtschaft­swachstum, der Tötung Osama Bin Ladens, dem Truppenabz­ug aus dem Irak.

Pence zeichnet ein komplett anderes Bild, in seiner Skizze liegt die Wirtschaft im Rostgürtel der alten Industrie vollends am Boden, außenpolit­isch herrscht Orientieru­ngslosigke­it und im Weißen Haus Führungssc­hwäche.

Kaine seinerseit­s erinnert an Trumps Sympathien für Wladimir Putin, den russischen Präsidente­n, dem der Tycoon bescheinig­t, ein deutlich besserer „Anführer“zu sein als Obama. Putin, Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un, Muammar al-Gaddafi und Saddam Hussein: Dieses Quartett bilde Trumps persönlich­en Mount Rushmore. Wer den Unterschie­d zwischen Diktatur und demokratis­cher Führungsst­ärke nicht kenne, müsse noch einmal die politische Grundausbi­ldung besuchen.

Doch während sich Pence über weite Strecken um eine seriöse Note bemüht, pfeift der Immobilien­milliardär auf Seriosität. Aus seinem Hochhaustu­rm begleitet er die Debatte mit einer wahren Lawine an Tweets. Kaine, schreibt er in einem, sehe aus wie der finstere Schurke in Batman-Filmen.

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Mike Pence (re.) machte beim Duell bessere Figur als Tim Kaine.

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