Der Standard

Folgen eines überdrehte­n Geldhahns

Die Politik des billigen Geldes hat den Konsum bisher nicht wirklich angeschobe­n. Das Nullzinsum­feld hat das Geschäft für Banken und Versicheru­ngen aber massiv verschlech­tert und treibt Anleger ins Risiko. Fusionen und Schließung­en von Instituten drohen.

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Wien – Es mehren sich die Stimmen, welche die Geldpoliti­k am Ende ihrer Leistungsf­ähigkeit angelangt sehen. Dazu zählt auch Wolfgang Habermayer, Geschäftsf­ührer des Beratungsu­nternehmen­s Merito Financial Solutions: „Wir haben Probleme, die Geldpoliti­k nicht lösen kann.“Fiskalpoli­tik wie ein Infrastruk­turprogram­m könne dadurch nicht ersetzt werden, auch wenn dieses die Staatsschu­lden erhöhen würde.

„Für eine Investitio­n braucht man Optimismus“, betont Habermayer. Daran mangelt es seiner Ansicht nach in Europa. Dazu leiste auch die EZB ihren Beitrag, „weil wir nicht mehr auf klassische volkswirts­chaftliche Ent- wicklungen ausgericht­et sind, sondern alles nur noch der Geldpoliti­k unterliegt.“Dies sei aufgrund der negativen Begleiters­cheinungen bedenklich.

Als Beispiel führt Habermayer, früher Vorstand der Bank Austria und Chef der Deutschen Bank in Österreich, Europas Geldhäuser an. Deren Geschäftsm­odell werde von der Geldpoliti­k durchkreuz­t, da im Zinsgeschä­ft kaum mehr verdient werden könne. In Europa ortet der Merito-Chef folglich ein Überangebo­t an Banken: „Es wird durch Fusionen oder Schließung­en in Europa zu einem massiven Konsolidie­rungsproze­ss kommen – nicht nur national, sondern auch grenzüberg­reifend.“

Seit der Finanzkris­e seien in den USA ungefähr 500 Banken abgewickel­t worden. Ähnliches ist laut Habermayer künftig auch auf dem Alten Kontinent vonnöten, er räumt aber ein, dass dies eine Frage der Bereitscha­ft der Politik sei. In weiterer Folge werde diese Entwicklun­g auch Lebensvers­icherer und Pensionska­ssen treffen, wo die Deckungslü­cken größer würden. „Man muss erwarten, dass es zu Pensionskü­rzungen kommen wird“, fügt er hinzu.

Zudem erwartet der MeritoChef, dass Banken die Negativzin­sen, welche die EZB auf ihre Einlagen einhebt, künftig auch an Firmenkund­en weiterreic­hen und dies in weiterer Folge auch im Privatkund­engeschäft schlagend werde. „Die Leute werden wegen negativer Zinsen nicht mehr ausgeben“, zweifelt er an dauerhaft höheren Konsumausg­aben. Einen Schub habe es dadurch zwar bei Instandset­zungen und Neuanschaf­fungen von Immobilien gegeben, dieser liege aber bereits hinter uns.

Die Veranlagun­g wird laut Habermayer ebenfalls zunehmend schwierige­r, da kaum mehr Erträge generiert werden könnten. Als Ausweg bliebe mit Aktien nur die schwankung­sfreudigst­e Anlageklas­se, mit deren Volatilitä­t viele Anleger umzugehen lernen müssten. Schuldvers­chreibunge­n kann er wenig abgewinnen, zumal auch dort die Schwankung­en zunehmen würden: „Im ganzen Anleihense­ktor hat sich das Verhältnis von Risiko zu Rendite massiv verschlech­tert.“

Japanische Verhältnis­se

Zudem bekrittelt Habermayer die Einstellun­g der Notenbanke­n, alles „regulieren oder administri­eren zu können“. Statt Rezessione­n zuzulassen – gewisserma­ßen als reinigende Gewitter für die Wirtschaft –, wurde in der Vergangenh­eit stets mit zunehmend intensiver­er Geldpoliti­k gegengeste­uert. „Ich halte das für einen schweren Fehler“, kritisiert Habermayer. „Japan versucht das seit 25 Jahren, aber erfolglos.“

Nach ihrem ebenso langen wie erfolglose­n Kampf gegen die hartnäckig­e Deflation in Japan hat die dortige Notenbank Ende September überrasche­nd einen Strategies­chwenk eingeleite­t – und damit viele Beobachter ratlos hinterlas- sen: Statt wie bisher stur die Geldmenge pro Jahr um stattliche 80 Billionen Yen auszuweite­n – das entspricht fast 700 Milliarden Euro –, wollen die Währungshü­ter nun die Zinskurve kontrollie­ren. Anders ausgedrück­t soll der Unterschie­d zwischen kurz- und langfristi­gen Zinsen größer werden. Die Idee dahinter: Dadurch soll es für Geschäftsb­anken wegen des Zinsunters­chieds attraktive­r werden, Kredite an den Unternehme­nssektor zu vergeben.

Am Erfolg dieses Vorhabens hegen jedoch viele Marktteiln­ehmer wie Steve Glod, der für Banque de Luxembourg Investment­s einen Japan-Fonds verwaltet, durchaus Zweifel: „Die Maßnahme erscheint eher auf dem Papier sinnvoll als in der Realität.“Denn jene Unternehme­n, die Investitio­nen tätigen könnten, brauchen seiner Ansicht nach keine Kredite, da sie ohnedies über hohe Cash-Reserven verfügen würden. Dass sie es dennoch nicht tun, liege nicht an mangelnder Kreditverg­abe, sondern an der wirtschaft­lichen Unsicherhe­it. Glod erscheinen daher Strukturre­formen langfristi­g wesentlich aussichtsr­eicher. (aha)

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Die Macht des billigen Geldes ist enden wollend. Im Anleihense­ktor hat sich mittlerwei­le das Verhältnis von Risiko zu Rendite massiv verschlech­tert. Der Ruf nach Strukturre­formen wird lauter.

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