Europas Kreditdeponie als globaler Ballast
Die Probleme in Europas Finanzsektor müssen „dringend“angegangen werden, mahnt der IWF. Vor allem die Last fauler Kredite von 900 Milliarden Dollar bereitet den Fonds Sorge. Die Banken sollen kräftig abspecken.
Washington/Wien – Italienische Banken in argen Kapitalnöten, die Deutsche Bank gar am Rande des Abgrunds: Dieses Bild prägte in den letzten Monaten die Schlagzeilen. Nun widmet sich auch der Internationale Währungsfonds Europas Kreditapparat und gelangt – wenig überraschend – zu einem kritischen Befund. Sukkus: Selbst wenn sich die Rahmenbedingungen wieder verbessern sollten, würden sich die Gewitterwolken nur teilweise lichten.
Eine der zentralen Aussagen des Fonds in seinem am Mittwoch präsentierten Finanzstabilitätsbericht: Es gibt zwar in den USA einen ähnlich hohen Anteil an gefährdeten Geldinstituten wie in Europa, allerdings sind das jenseits des Teichs tendenziell kleinere Finanzunternehmen, in Europa hingegen stehen auch die großen Banken unter Druck.
In einer Simulation einer Konjunkturerholung, bei der auch die für den Sektor bedrohlich niedrigen Zinsen wieder steigen, kommt das laut IWF klar zum Ausdruck. Selbst in diesem optimistischen Szenario wäre die Profitabilität für eine Gesundung des Sektors zu niedrig. Denn auch bei einer Verbesserung der Rahmenbedingungen würden 30 Prozent der von den EU-Banken gehaltenen Vermögenswerte (8,5 Billionen Dollar) ihre Kapitalkosten nicht verdienen.
Der Bericht zieht daraus die klare Schlussfolgerung: Europa müsse die Probleme „dringend und umfassend“angehen. Konkret bedeute das: faule Kredite abbauen, Kosten senken, Strukturbereinigung. Ersterer Punkt erscheint besonders akut, gibt doch der Fonds den Stand der notleidenden Kredite in Europa mit rund 900 Milliarden Euro an. Die empfohlenen Maßnahmen könnten – gemessen an der Effizienz nordischer Banken – die Gewinne der EU-Banken jährlich um 40 Milliarden Dollar erhöhen, heißt es in dem Bericht.
Sollten keine Einschnitte erfolgen, drohten die Eigenkapitalpuffer der Banken auf dem alten Kon- tinent wegen Niedrigzinsen und langsamen Wachstums zu erodieren. Das wiederum würde sich negativ auf Konjunktur und Finanzstabilität auswirken, urteilt der IWF. „Es gibt einfach zu viele Filialen mit zu geringen Einlagen und zu viele Banken mit Finanzierungskosten, die weit über jenen anderer Institute liegen“, erklärte der für Kapitalmärkte zuständige IWF-Direktor Peter Dattels.
Weit brennender als die grundsätzlichen Feststellungen zu Europas Banken sind freilich die Fragen zur Zukunft der Deutschen Bank. Ihr Chef John Cryan hält sich ja derzeit in Washington auf, wo die Herbsttagung von IWF und Weltbank stattfindet. Gut möglich, dass er auch Gespräche über die drohende Strafe wegen Vergehen bei Hypothekargeschäften mit dem US-Justizministerium führt. IWF-Mann Dattels, auf die Sorgen des Instituts angesprochen: „Die Deutsche Bank gehört zu den Banken, die weiter Anpassungen vornehmen müssen, um Investoren davon zu überzeugen, dass ihr Geschäftsmodell für die Zukunft tragfähig ist.“Nachsatz: Der Finanzkonzern müsse Risiken aus Rechtsstreitigkeiten angehen und berücksichtigen. Hintergrund: Viele Analysten sind der Auffassung, dass die Rückstellungen des Instituts für Strafzahlungen weit unter dem Drohpotenzial liegen.
Es gibt aber auch positive Aspekte im neuen Bericht des Fonds. Demnach haben chinesische Banken Fortschritte bei der Reduktion fauler Kredite gemacht. Auch die sich abzeichnende Wende bei den Rohstoffpreisen senke das Finanzstabilitätsrisiko. Zudem hätten sich die Märkte nach einer kurzen Erschütterung nach dem BrexitVotum wieder beruhigt, meint der IWF.
Brexit als Gefahr für London
Apropos Brexit: Die britische Finanzbranche könnte einer Studie zufolge bei einem „harten Brexit“bis zu 38 Milliarden Pfund (43,4 Milliarden Euro) an Umsatz einbüßen. Sollten die Firmen das Recht verlieren, ihre Dienstleistungen in der Europäischen Union zu verkaufen, könnten zudem 75.000 Arbeitsplätze verschwinden, heißt es in der Untersuchung der Beratungsfirma Oliver Wyman. (as)