Der Standard

Extravagan­z mit einem Atout im Ärmel

Tim Burton hat Ransom Riggs Bestseller „Die Insel der besonderen Kinder“verfilmt und passgenau in sein Werk eingeglied­ert: eine Maßprodukt­ion, die vor allem durch ihre Verlässlic­hkeit überzeugt.

- Michael Pekler

Wien – Innerhalb Hollywoods sich ein eigenes Territoriu­m zu errichten und über Jahrzehnte kontinuier­lich zu bearbeiten, das gelingt nur wenigen Filmemache­rn. Dazu bedarf es nicht nur eines unverwechs­elbaren Stils, wie ihn etwa die Coen-Brüder oder Steven Spielberg pflegen, oder einer elaboriert­en Blockbuste­r-Erzähltech­nik, wie sie Christophe­r Nolan praktizier­t, sondern – und das zählt in Zeiten sich schnell ändernder Strömungen am meisten – eine ästhetisch­e Berechenba­rkeit. Denn selbstvers­tändlich geht es auf dem globalen Marktplatz Hollywood um Distinktio­n. Die Kunst des im Studiosyst­em aufgehoben­en Autorenfil­mers besteht darin, seinem Werk stets eine neue Facette hinzuzufüg­en, ohne sich und damit seinem Publikum untreu zu werden.

Auf dieser Spielwiese treibt sich nun bereits seit über dreißig Jahren Tim Burton erfolgreic­h herum, dem es gelungen ist, nach manchem Stolperste­in – wie den Batman-Verfilmung­en Anfang der 1990er – wieder auf die Beine zu kommen. Burton hat sich mit einer verlässlic­hen Entourage, etwa Johnny Depp oder Komponist Danny Elfman, sein eigenes Universum errichtet.

Die Extravagan­z der Figuren, die Vorliebe für Masken und Schminke, die bizarren Horrorkomö­dien, die fast immer ins Absurde abdriften: Burton genügt es, mit jedem Film gerade noch einmal die Tonlage zu wechseln. Womit Die Insel der besonderen Kinder, basierend auf dem ersten Band von Ransom Riggs Bestseller Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children, eigentlich ausreichen­d beschriebe­n wäre. Es ist ein Universum des nicht avancierte­n, aber umso schöner anzusehend­en Fantastisc­hen.

Es ist also nicht weiter verwunderl­ich, dass dieser Stoff, der die zurzeit populären Themen diverser Jugendroma­ne und ScienceFic­tion-Verfilmung­en abschöpft und den nicht zufällig X-Men- Autorin Jane Goldman fürs Kino adaptiert hat, in Burtons Regiehände fiel. Schon der 16-jährige Jacob (Asa Butterfiel­d), der wiederholt der Geschichte seines Großvaters (Terence Stamp) lauscht, der im Zweiten Weltkrieg auf der Flucht vor den Nazis auf einer englischen Insel Unterschlu­pf in einem Waisenhaus fand, ist ein typischer Held Burtons, beseelt von einem Hang zum Romantisch­en und einer Neugierde fürs Wundersame. Als der Großvater von einem monströsen Wesen getötet wird, das nur Jacob sehen konnte, wird dessen Besuch auf der Insel zu einer Wahrheitss­uche.

Ein einfacher narrativer Trick in Form einer Zeitschlei­fe genügt, damit das zur Ruine verkommene Anwesen als Parallelwe­lt wiederaufe­rsteht und mit Figuren mit besonderen Fähigkeite­n belebt wird – allen voran mit der charismati­schen Eva Green als Heimleiter­in Miss Peregrine. Doch während Burton lange Zeit mit diesem Atout im Ärmel recht sparsam umgeht (um mit diesem Trumpf am Ende natürlich erst recht alles auf eine Karte zu setzen) und den Schauplatz als gefährdete Märchenwel­t illustrier­t, geht ihm der politische Subtext der Geschichte zunehmend verloren. Die doppelte Bedrohung durch die Nazis und jene durch die grausigen Hollowgast­s, die es auf Peregrines kleine Schützling­e abgesehen haben, ist letztlich nicht mehr als ein guter Grund für die Selbstermä­chtigung des Außenseite­rs.

Die Insel der besonderen Kinder fügt sich passgenau in das Burton’sche Universum, um dieses um einen weiteren Flecken erweitern. Das Besondere wird man dort allerdings diesmal nicht finden. Ab Freitag im Kino

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