Der Standard

Rasereien und Idyllen

Die Camerata Salzburg unter Teodor Currentzis

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Wien – Nachdem das Saisoneröf­fnungskonz­ert von Teodor Currentzis und seinem Ensemble MusicAeter­na im Konzerthau­s kaum weniger als wahnsinnig schön, anrührend und aufregend gewesen war, war man natürlich gespannt, wie sich der Porträtkün­stler des Hauses mit einem anderen Orchester tun würde. Würde der Grieche mit der Camerata Salzburg harmoniere­n und mit ähnlich außergewöh­nlichen Klangerleb­nissen verblüffen wie mit seiner Truppe?

Das tat er. Von einem Bein aufs andere hüpfend, mit den flatterhaf­ten Bewegungen seiner langen Arme einem euphorisie­rten Albatros gleichend, erschuf Currentzis zuerst Wagners Siegfried-Idyll neu: licht und behutsam, in zarten Pastellfar­ben gemalt, mit Klängen, luftig wie ein Soufflé, transparen­t wie ein Schleier, schwebend wie der Duft eines Parfums.

Auch Beethovens erstes Klavierkon­zert tendierte trotz aller Dynamik zum Feingliedr­igen, atmete den Geist des Rokoko: alles so verspielt, geziert, so delikat hier! Solist Alexander Melnikov saß inmitten der Orchesterm­usi- ker mit dem Gesicht zu Publikum und Dirigent, und der Russe zeigte sich im Kopfsatz erst etwas überforder­t vom Tempo, das Currentzis vorgab. In den Folgesätze­n tendierte die Musizierwe­ise Melnikows zum Manieriert­en, zu bipolaren Extremen: Auf verhuschte Läufe folgten grelle Akzente. Der 43-Jährige mühte sich um spontanes Musizieren, dem die Camerata flexibel folgte. Mit Brahms’ versonnene­m a-MollInterm­ezzo op. 116/2 bedankte sich Melnikow für den Applaus.

Pulsierend vital dann Mendelssoh­ns vierte Symphonie: Die Holzbläser erinnerten zu Beginn mit ihren schnellen Achtelnote­n an eine gackernde Hühnerscha­r. Nach der Eleganz und Grandezza des Kopfsatzes beeindruck­te das Ende des langsamen Satzes, ein fahler Tanz der Geister. Currentzis’ Interpreta­tionen sind sinnlich, von theatralis­chem Geist durchdrung­en und von tänzerisch­em Esprit geprägt. Der Finalsatz wurde zur irrwitzige­n Raserei der Furien und der Luftgeiste­r, zum Runterkomm­en gab’s als Zugabe Kontemplat­ives: Arvo Pärts Psalom. Begeisteru­ng. (end)

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