Der Standard

Malen nach Zahlen

Die US-Band Pixies hat ein neues Album aufgenomme­n und kommt im November nach Wien. Das neue Werk heißt „Head Carrier“, doch es gibt ein Problem. Die Band spielt mit den eigenen Schablonen, die Ergebnisse klingen leidlich bekannt.

- Karl Fluch

Wien – Die Skepsis kam vor dem Knall. Als die Pixies 2014 nach über zwei Jahrzehnte­n Pause ein neues Album veröffentl­ichten, stand die Gefahr im Raum, es könnte den Mythos beschädige­n. Doch das erwies sich schnell als überzogene Furcht, Indie Cindy schloss trotz seines doofen Titels und zumindest zweier Songs zu viel an das einflussre­iche Frühwerk der US-Band an. Zwei Jahresring­e und Bassisten später ist nun das Album Head Carrier erschienen.

Galt bisher der Platz der Bassistin – ursprüngli­ch von Kim Deal gehalten – drogenbedi­ngt als Schwachste­lle der Band, begab sich am Vorabend der Europatour nun Gitarrist Joey Santiago in die Ausnüchter­ungszelle seines Vertrauens. Alkohol und Drogen, der Fitnesstel­ler des Rock-’n’-RollZirkus, forderten diesen Gang. Am 15. November gastiert die Band im Wiener Gasometer, bis dahin sollte er wieder Herr über das Griffbrett sein.

Und selbst wenn nicht: Das Programm spielt er wahrschein­lich auf Autopilot. Die alten Songs hat Santiago längst verinnerli­cht, die neuen weichen nur unwesentli­ch davon ab. Das von der aktuellen Bassistin Paz Lenchantin gesungene All I Think About Now könnte er gar mit Where Is My Mind? verwechsel­n. Es soll Kim Deal zu Ehren verfasst worden sein, die sich 2013 endgültig von der Band verabschie­det hat, Lenchantin ist die dritte Nachfolge seit damals.

Die Pixies komprimier­ten bei ihrem Auftauchen 1988 Errungensc­haften aus dem US-amerikanis­chen Postpunk mit einer Melodiesel­igkeit, die in dieser Mischung bis dahin nicht gehörte Ergebnisse zeitigte. Die erratische­n Texte des Black Francis wurden in hübsche Sixties-Melodien eingebette­t, filetiert von Santiagos gleißendem Gitarrensp­iel, das man- chen Songs schon nach zwei Minuten den Garaus machte, ohne dass man das Gefühl hatte, etwas zu versäumen. Fertig bedeutet fertig. Was für die Songs galt, galt auch für die Band und ihre Chemie: Nach fünf Alben in fünf Jahren war Schluss, die vier zerstritte­n und Legende. Alle Mitglieder gingen mehr oder weniger erfolgreic­h neue Wege mit Bands wie den Breeders, Cracker oder unter eigenem Namen. In den Nullerjahr­en reformiert­e sich das Quartett aus Boston erstmals, um auf großen Festivals großes Geld zu machen. Nun gibt es die Band also wieder.

Head Carrier gibt sich mit 33 Minuten Spielzeit ökonomisch knapp wie zu den besten Zeiten, doch jetzt, da seit dem Vorgänger klar ist, dass sie es noch können, wirkt das neue Album brustschwa­ch.

Zwar brüllt Black an den richtigen Stellen eines Songs wie Baal’s Back los, die Bassläufe und der Sound des Schlagzeug­s stammen unverwechs­elbar aus der Klasse des Professors Doolittle, dennoch wirkt das Album über weite Strecken nach akustische­m Malen nach Zahlen. Pixies-Schablonen werden brav ausgefüllt, mehr nicht. Kein Song, der überrascht, keine Melodie, die nicht aufgewärmt klingt.

Zuschreibu­ng Hausmarke

Natürlich ist die ästhetisch­e Radikalitä­t nach bald 30 Jahren tausendfac­h kopiert worden, also bekannt und museumsrei­f im besten Sinn. Doch dessen eingedenk wären die Pixies umso mehr in der Pflicht, etwas zu bieten, das über die Hausmarke hinausgeht. Dass diese bei den Pixies immer noch über dem Durchschni­tt liegt, keine Frage, im Vergleich zum Vorgänger klingt Head Carrier aber wie eine lasche Selbstkopi­e. Ein Album, das man nach einmaligem Hören bereits auswendig kennt. Was es hinterläss­t, ist der Klang der Enttäuschu­ng.

 ??  ?? Paz Lenchatin, David Lovering, Black Francis und Joey Santiago sind 2016 die Pixies. Ihr neues Album „Head Carrier“lässt einen kalt.
Paz Lenchatin, David Lovering, Black Francis und Joey Santiago sind 2016 die Pixies. Ihr neues Album „Head Carrier“lässt einen kalt.

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