Yahoo scannte E-Mails für NSA
Andere IT-Firmen wollen nicht überwacht haben
Sunnyvale/Wien – Erst kürzlich musste Yahoo den Diebstahl einer halben Million Datensätze von Kunden eingestehen, schon schlittert der gebeutelte IT-Konzern in die nächsten Turbulenzen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat das Unternehmen im Auftrag der US-Geheimdienste NSA und FBI seit Mai 2015 alle eingehenden E-Mails seiner Kunden automatisiert nach ermittlerisch relevanten Informationen durchforsten lassen. Damit wären hunderte Millionen an Nachrichten betroffen. Ein Vorgehen, das laut Experten eine neue Stufe der Überwachung bedeutet. Denn bislang seien in Verdachtsfällen nur der zum betreffenden Zeitpunkt bestehende Posteingang und auch nur die Nachrichten einzelner Nutzer durchforstet worden.
Die Geheimdienste sollen Yahoo eine geheime Anordnung auf Basis des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) übermittelt haben. Firmenchefin Marissa Mayer habe sich laut ehemaligen Mitarbeitern letztlich entschieden, sich gegen diesen nicht zur Wehr zu setzen. Mehr noch: Die Software zur Durchführung der Scans sei ohne Wissen des damaligen Sicherheitschefs Alex Stamos in Betrieb genommen worden, was dessen plötzlichen Abschied im Juni 2015 ausgelöst habe. Stamos leitet mittlerweile die Sicherheitsabteilung bei Facebook. Yahoo gab sich gegenüber bisherigen Anfragen schmallippig. Man sei ein „gesetzestreues Unternehmen“, welches sich „an die Gesetze der Vereinig- ten Staaten“halte, erklärte man knapp.
Schnell wurde der Verdacht laut, dass eine solche Geheimdirektive auch anderen US-IT-Firmen zugegangen sein könnte. In Stellungnahmen gegenüber mehreren Medien dementierten diese allerdings. Apple und Google erklärten explizit, dass man keine derartige Anweisung erhalten habe und sich andernfalls zur Wehr setzen würde. Apple hatte sich heuer bereits eine mehrmonatige, öffentliche Auseinandersetzung mit dem FBI geliefert, da man sich weigerte, das iPhone des Attentäters von San Bernardino für die Behörde zu entsperren. Auch Twitter, Facebook und Microsoft wollen keine Order erhalten haben.
Möglicher Verfassungsbruch
Prompt erntete Yahoo Kritik von Datenschützern und Bürgerrechtlern. Sowohl die Electronic Frontier Foundation (EFF) als auch die American Civil Liberties Union (ACLU) – beide NGOs sind seit Jahren entschiedene Gegner von Massenüberwachung – verurteilen das Vorgehen scharf. Sollte der E-Mail-Scan so ablaufen wie berichtet, handle es sich um einen Bruch der amerikanischen Verfassung.
Dazu fordern die Organisationen eine Gesetzesänderung. Der FISA-Passus, der derlei geheime Direktiven ermöglicht, solle entweder geändert oder nach seinem Auslaufen zu Jahresende nicht mehr verlängert werden. (gpi)