Ceta und Mordio
Nein sagen ist zu wenig: Die SPÖ muss Wirtschaftskompetenz und Perspektiven bieten
Dass eine Urabstimmung unter den Mitgliedern der SPÖ das europäisch-kanadische Handelsabkommen Ceta würde stoppen können, hat wohl niemand ernsthaft erwartet. Daran ändern die wütenden Zurufe von NGOs und Oppositionsparteien an Bundeskanzler Christian Kern, in denen ein Ausstieg gefordert wird, nichts: Nein, aussteigen kann Österreich nicht. Und wenn es nach der Ansicht von Ökonomen und Wirtschaftstreibenden geht: Österreich soll auch gar nicht aussteigen.
Was aber offenbar gelingt: kleine Nachbesserungen, einige Festlegungen im Detail – und eine Show im Parlament. Diese wird darauf ausgelegt, dass der SPÖ-Chef sein Gesicht wahren und sein Versprechen halten kann: Das Abkommen tritt nicht in Kraft, ohne dass die österreichische Volksvertretung darüber debattiert und abgestimmt hätte. Das reicht, um die Form zu wahren.
Es reicht aber nicht, um die grundsätzlichen Fragen auch nur annähernd zu behandeln.
Kern weiß das natürlich. Er spricht ja grundsätzliche Probleme der Wirtschaftspolitik gerne an – und was er mit der Urabstimmung in seiner Partei ausprobiert hat, ist nur ein weiterer (wenn auch nicht sehr tauglicher) Versuch, die Debatte in seine Partei hineinzubringen. ahr ist ja: Die meisten Österreicherinnen und Österreicher – egal welcher Partei sie sich verbunden fühlen – haben wenig Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge. Aber sie haben das ungute Gefühl, dass die wirtschaftliche Entwicklung an ihnen vorübergeht. Wenn nicht gar: dass sie über sie hinweggeht.
Die FPÖ hat es in den vergangenen Jahren verstanden, diese unguten Gefühle zu bündeln – und trifft sich da in einer seltsamen Allianz mit linken Globalisierungskritikern, die die gleiche Botschaft in anderen Worten verkünden: Das bestehende System führe zu Ausbeutung, Leidtragende seien die kleinen Leute hier (ehrliche Linke fügen auch ein „und anderswo“dazu) – und als Verkörperung des Bösen werden vermeintliche Eliten, Bonzen, Finanzmanager und, mit mehr oder weniger deutlichen antisemitischen Untertönen, „die Ostküste“ausgemacht. Bei jeder Gelegenheit – Ceta ist nur eine davon – wird Zeter und Mor-
Wdio geschrien. Am Stammtisch und in Internetforen wird das mit unheilvollen Neiddebatten verknüpft.
Und: Es laufen immer mehr Menschen, die eigentlich prädestiniert wären, Stammwähler, wenn nicht gar Mitglieder der Sozialdemokratie zu werden, falschen Parolen nach.
Also ist es höchst an der Zeit, dieses Potenzial zurückzugewinnen.
Den arbeitenden Menschen das Vertrauen zu geben, dass sich die Regierung (oder wenigstens ein durchsetzungsfähiger roter Flügel in der Regierung) darum kümmert, dass der Wohlstand der Massen wieder steigt, ist ein überlebenswichtiges Programm für die Sozialdemokratie. Sie hat dabei ihren traditionellen Bildungsauftrag zu erfüllen – etwa auch Diskussionen anzustoßen, ob und in welcher Form Aspekte ökologischen Wirtschaftens, fairen Handelns oder gar sozialen Ausgleichs in künftige Abkommen einfließen sollten. Wenn man solche Wünsche rechtzeitig anmeldet, wenn man rechtzeitig Verbündete innerhalb und außerhalb der EU sucht und auf diese Ziele konsequent hinverhandelt, sollte ja auch ein wenig linke Handschrift in künftige Abkommen hineinverhandelt werden können.