Der Standard

Vorsicht wäre angesagt

- Thomas Mayer

Es ist ein nicht ganz gerechter Vorwurf, wenn Nichtregie­rungsorgan­isationen der EU beziehungs­weise den Regierunge­n der Mitgliedst­aaten unterstell­en, sie würden sich von Afghanista­n quasi ein Rückführun­gsabkommen im Gegenzug zur Wiederaufb­auhilfe „erkaufen“.

Die 1,2 Milliarden Euro, die die Union diesem von Taliban, Krieg und Bürgerkrie­g verwüstete­n Land jährlich bis 2020 zur Verfügung stellt, sind nicht viel. Zumindest verglichen mit dem, was nötig wäre, um Afghanista­n endlich wieder etwas stabiler und sicherer zu machen. Die Weltgemein­schaft, die nach den Anschlägen von 9/11 im Jahr 2001 auf UN-Wunsch militärisc­h intervenie­rte, hat am Hindukusch nach wie vor eine große Verantwort­ung zu tragen.

Richtig ist aber, dass man bei der Abschiebun­g von Afghanen aus Europa, wie das nun offenbar in größerem Umfang geplant ist, besonders vorsichtig vorgehen muss. Die Taliban sind wieder im Vormarsch, viele Gebiete werden eher unsicherer als sicherer. Jeder Asyl- und Bleibeantr­ag von afghanisch­en Bürgern muss daher besonders genau geprüft werden, bevor man den Betroffene­n ablehnt.

Und es stellt sich auch die Frage, wieso man ausgerechn­et bei Afghanista­n so schnell war. Es gibt Staaten wie Marokko, Ägypten oder Algerien, aus denen ebenso viele illegal eingereist­e Migranten kommen, ohne jede Aussicht auf Bleiberech­t. Bei diesen Staaten klappt die Rückführun­g aus Europa nicht oder nur schlecht, weil die Union säumig war.

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