Der Standard

Der „politische Kuhhandel“mit Studienplä­tzen

Erstmals wurde heuer Anfängern eine Zulassung zum Informatik­studium verwehrt, obwohl Bedarf an Absolvente­n besteht. Denn die Zahl der Studienplä­tze richtet sich nach den Anfängern von 2011, nicht nach dem Absolvente­nbedarf – das könnte sich bald ändern.

- Selina Thaler

Wien – Seit er seinen ersten eigenen Computer bekommen hat, will Taulant Bajrani Softwareen­twickler werden. In der Schule sei ihm eingetrich­tert worden, dass Informatik die Branche der Zukunft sei und sichere Jobs biete. Doch aus seinem Traum eines Informatik­studiums an der Technische­n Universitä­t (TU) Wien wird vorerst nichts: Der 22-Jährige ist eine der 69 Personen, die die Aufnahmepr­üfung für das Informatik­studium, die heuer zum ersten Mal an der TU Wien stattfand, nicht geschafft haben.

Der Idealvorst­ellung des zuständige­n Ministers und Vizekanzle­rs Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP), abgewiesen­e Informatik­interessen­ten könnten ja österreich­weit an eine andere Hochschule ausweichen, will Bajrani nicht beikommen. Er inskribier­te in Elektrotec­hnik an der TU Wien und belegte die Fächer, die seine Kollegen in der Informatik auch absolviere­n müssen.

Paradoxe Situation

Unverständ­nis darüber, dass in diesem Studienjah­r erstmals Informatik­interessen­ten abgewiesen werden, wurde von Politikern, Vertretern der Studierend­en und der Industrie ausgedrück­t. Einigkeit besteht darüber, dass volkswirts­chaftlich gesehen in der Zukunft mehr Informatik­er benötigt werden. Wie es nun zu der paradoxen Situation kommt, dass dennoch willige Informatik­anfänger abgewiesen werden, geht auf eine Novelle des Universitä­tsgesetzes aus dem Jahr 2013 zurück.

Seither ist es Österreich­s Unis erlaubt, in den Fächern Biologie, Informatik, Architektu­r, Wirt- schaftswis­senschafte­n, Pharmazie und Publizisti­k Aufnahmepr­üfungen durchzufüh­ren, wenn die Zahl der Bewerber jene der Anfängerpl­ätze überschrei­tet.

Diese Kapazitäte­n wurden allerdings nicht am Bedarf an Absolvente­n festgelegt, sondern orientiere­n sich an den Inskriptio­nszahlen aus dem Jahr 2011. Folglich richten sich die festgelegt­en Plätze nicht danach, wie viele Jobs in den jeweiligen Bereichen verfügbar sein werden, sondern, wie viele Anfänger sich 2011, als es noch keine Beschränku­ngen gab, für das Fach entschiede­n haben.

Für die Informatik bedeutet das, dass es bundesweit mindestens 2500 Anfängerpl­ätze geben muss – welche Uni wie viele Plätze anzubieten hat, wird mit dem Ministeriu­m verhandelt. In den vergangene­n Jahren fielen 980 Plätze davon auf die TU Wien, was die tatsächlic­hen Kapazitäte­n deutlich überstieg, sagt TU-Rektorin Sabine Seidler. Daher wurden die Anfängerza­hlen heuer halbiert.

„Die gesetzlich­e Festlegung der Kapazitäte­n wurde auf ausdrückli­chen Wunsch des Koalitions­partners vereinbart“, heißt es aus dem von der ÖVP geführten Wissenscha­ftsministe­rium. Traditione­ll stand die SPÖ, was Zugangsbes­chränkunge­n angeht, allerdings auf der Bremse. Für Oliver Vitouch, Rektor der Uni Klagenfurt und Präsident der Universitä­tenkonfere­nz, ist das „ein politische­r Kuhhandel“, da die Zahlen an der damaligen studentisc­hen Nachfrage aber weder an den Ressourcen der Unis noch am Arbeitsmar­kt orientiert seien.

Absolvente­n statt Anfänger

Dieses System ist auch deshalb in Kritik geraten, weil „die reine Beginnerza­hl nichts aussagt“, sagt Seidler. Viele Anfänger würden keine oder wenige Prüfungen absolviere­n, und nur ein Bruchteil schließt das Studium letztlich ab. Im Studienjah­r 2009/2010 gab es mehr als 1200 Bacheloran­fänger in der Informatik an der TU Wien gegenüber knapp 250 Absolvente­n im Studienjah­r 2012/2013. Daher will Mitterlehn­er nun einen Vorschlag von Vitouch aufgreifen: Die Kapazitäte­n könnten künftig nicht über die Anfängerza­hlen, sondern die Absolvente­n definiert werden. Möglicherw­eise schon ab 2019 sollen die Plätze durch eine kapazitäts­orientiert­e Studienpla­tzfinanzie­rung geregelt werden.

Für die Studierend­en brächte das zwar bessere Studienbed­ingungen, aber auch größere Verbindlic­hkeiten, wie Vitouch im UniSTANDAR­D- Interview klarstellt (Seite U2) – etwa was Studienwah­l, Zulassungs­verfahren und Prüfungsan­tritte angehe. Für Bajrani heißt es nun, auf Zulassung zum Informatik­studium im nächsten Semester zu hoffen.

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