Kopf des Tages
Auf den seit Donnerstag designierten UN-Chef António Guterres wartet eine übervolle Liste an Aufgaben. Zu seiner Wahl hat offenbar beigetragen, dass dem resoluten Portugiesen zugetraut wird, sich durchzusetzen.
Der ehemalige Premier Portugals und UN-Flüchtlingshochkommissar António Guterres wird neuer Uno-Generalsekretär.
New York / Genf – Auf diese Position hat António Guterres lange hingearbeitet, zuerst im Stillen, dann mit offenem Visier: Jetzt ist ihm das Amt des Generalsekretärs der Vereinten Nationen so gut wie sicher. Ab Jänner soll der frühere Premier Portugals und ehemalige UN-Hochkommissar für Flüchtlinge an die Spitze der Weltorganisation rücken – das entschied der UN-Sicherheitsrat.
Mit der Nominierung des 67Jährigen setzen die mächtigsten UN-Mitglieder klare Zeichen: Sie vertrauen den wichtigsten Posten einem erfahrenen Politprofi an. Sie wollen inmitten der schlimmsten Vertriebenenkrise seit dem Zweiten Weltkrieg einen Fachmann für die komplexen Flüchtlingsfragen an der UN-Spitze sehen. Und sie demonstrieren seltene Einigkeit – was angesichts des heftigen Konflikts zwischen Russland und USA wegen Syrien einer kleinen Sensation gleicht. Die UN- Vollversammlung muss die Empfehlung des Sicherheitsrates noch bestätigen – das Ja für Guterres ist aber so gut wie sicher.
Der sichtlich zufriedene UNBotschafter Russlands und amtierende Ratspräsident Witali Tschurkin nannte die Nominierung „historisch“. Samantha Power, die amerikanische Botschafterin bei den UN, unterstrich, dass die Großmächte uneingeschränkt „hinter der Wahl“stünden. „Das Ganze war erstaunlich friedfertig und unumstritten“, sagte sie.
Diplomaten gehen von einem Deal aus: Lange sah es so aus, als würden die Russen den Kandidaten Guterres, einen Favoriten der USA und vieler Europäer, blockie- ren. Moskau wollte einen Bewerber aus Osteuropa als neuen Generalsekretär installieren. Doch rückte der Kreml von seiner Forderung ab.
Jetzt dürfte die Belohnung fällig sein: „Für das Ja zu Guterres werden die Russen eine gehobene Position bei den UN oder eine sonstige Vergütung erhalten“, sag- te ein Unterhändler. „So läuft das Geschäft bei den UN.“
Für viele Frauen hingegen zerbrach eine Hoffnung. Die Diplomatin Christiana Figueres aus Costa Rica twitterte zur GuterresWahl: „Bitter: keine Frau. Süß: bei weitem der beste Mann im Rennen.“Figueres hatte neben anderen Frauen selbst an dem Wettkampf teilgenommen. Schon vor Beginn des Auswahlprozesses hatten viele Regierungen eine klare Position: Nach mehr als 70 Jahren UN sollte erstmals eine Frau an die UN-Spitze rücken. Doch es wird zum neunten Mal ein Mann.
Übervolle Liste
Und auf ihn warten schwere Aufgaben: Der Terrorismus verbreitet Angst und Schrecken, blutige Konflikte erschüttern ganze Regionen und machen immer mehr Menschen zu Opfern. Die Hilflosigkeit der UN manifestiert sich vor allem in Syrien – ein Krieg, der trotz jahrelanger Friedensbemühungen der Weltorganisation hunderttausende Todesopfer fordert. Guterres muss auch andere brennende Probleme anpacken: vom Klimawandel über den Kampf gegen Armut bis zu einer besseren Gesundheitsversorgung für Milliarden Menschen. Ebenso steht die dringend nötige Reform der Uno auf der Agenda, zumal des Sicherheitsrates. Bis zu seinem Amtsantritt in knapp drei Monaten kann der nächste UNGeneralsekretär seine Prioritäten ordnen.