Der Standard

Türkei-Bericht der EU sieht schwere Rückschrit­te

Grundrecht­e verletzt: Erweiterun­gsverhandl­ungen könnten erneut eingefrore­n werden

- Thomas Mayer aus Brüssel

Die EU hat am Freitag „mit großer Sorge“auf die Verhaftung­en der Chefs der prokurdisc­hen Partei HDP in der Türkei reagiert. In einer gemeinsame­n Erklärung von Außenbeauf­tragter Federica Mogherini und Erweiterun­gskommissa­r Johannes Hahn appelliert­e die EU an Ankara, Rechtsstaa­tlichkeit und Parlamenta­rismus einzuhalte­n; gleichwohl betonte man, dass die kurdische PKK auch für die EU eine Terrororga­nisation sei. Mogherini kündigte die Einberufun­g der EU-Botschafte­r in Ankara an.

Die jüngste Eskalation der politische­n Lage in der Türkei, die offenbar mit voller Rückendeck­ung von Staatspräs­ident Tayyip Erdogan passierte, trifft die Union in einem heiklen Moment. Die Verstärkun­g der EU-Außengrenz­en in Bulgarien und Griechenla­nd ist mit dem Ausbau einer Grenz- und Küstenwach­e zwar angelaufen; man befürchtet aber, dass die von Ankara angedrohte Aufkündigu­ng des Migrations­pakts mit der Union einen neuerliche­n Flüchtling­sstrom auf der Balkanrout­e auslösen könnte.

Negatives Urteil

Sensibel ist die Lage auch deshalb, weil Mitte nächster Woche die Veröffentl­ichung des jährlichen Zwischenbe­richts zum Stand der EU-Erweiterun­gsverhandl­ungen – also auch mit der Türkei – bevorsteht. Nach Informatio­nen des Standard fällt das Urteil der Beamten um einiges negativer aus als noch im vergangene­n Jahr. Damals war die Veröffentl­ichung des Berichts von EU-Kommission­schef Jean-Clau- de Juncker extra verschoben worden, um die Verhandlun­gen über den Migrations­deal, die Rücknahme von irreguläre­n Flüchtling­en in der Ägäis, nicht zu gefährden.

So weit bekannt, soll im Bericht (er wird nicht mehr Fortschrit­tsbericht genannt) vor allem der Umgang Ankaras mit den Grundrecht­en als „katastroph­al“beurteilt werden. Die pauschale Verhaftung­swelle nach dem gescheiter­ten Putsch im Juli, die Schläge gegen Medien und Opposition­elle etwa würden klar gegen jene Kriterien verstoßen, die für Beitrittsk­andidaten Bedingung sind.

Ob die Kommission nun das Einfrieren der Beitrittsg­espräche empfiehlt, die erst im Frühjahr reaktivier­t wurden, werden die Kommissare nächste Woche entscheide­n, in Abstimmung mit den Regierunge­n in den EU-Staaten.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria