Der Standard

Strompreis­schub gefährdet Projekt der Voest in Kapfenberg

Die Aussicht auf teurere Strombezüg­e lässt die Voest ihre Ausbauplän­e für Kapfenberg überdenken. Bis zu 300 Millionen Euro wollte man in den Standort investiere­n – vor dem Beschluss der EU-Regulatore­n, die Strompreis­zone mit Deutschlan­d aufzutrenn­en.

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Wien – Die kaum mehr zu stoppende Auftrennun­g der deutsch-österreich­ischen Strompreis­zone wirft ihre Schatten voraus: Die Voestalpin­e, die noch zu Jahresbegi­nn Ausbauplän­e für den Standort Kapfenberg im Ausmaß von bis zu 300 Millionen Euro bekanntgeg­eben hat, rückt wegen absehbarer Strompreis­erhöhungen im zweistelli­gen Prozentber­eich davon ab.

Voest-Chef Wolfgang Eder nannte die jüngsten Entwicklun­gen im Energie- und Klimaberei­ch am Mittwoch „nicht sehr ermutigend“. Dienstag am Abend hat sich die EU-Stromregul­ierungsbeh­örde Acer mehrheitli­ch für die Einführung eines künstliche­n Stromengpa­sses zwischen Österreich und Deutschlan­d ausgesproc­hen, um die Netze zu entlasten. (red)

Wien – Es war eine Bombenüber­raschung, als die Voestalpin­e zu Jahresbegi­nn riesige Ausbauplän­e für den Edelstahls­tandort Kapfenberg bekanntgab. Um 250 bis 300 Mio. Euro sollte das teilweise 100 Jahre alte Werk völlig neu errichtet werden. Doch am Mittwoch setzte Voest-Chef Wolfgang Eder ein großes Fragezeich­en hinter die Pläne. Angesproch­en auf Kapfenberg, bezeichnet­e Eder die jüngsten Entwicklun­gen im Energieund Klimaberei­ch als „nicht sehr ermutigend“. Konkret sprach der Voest-Chef das drohende Ende des Stromkreis­es mit Deutschlan­d an, das zu einer Verteuerun­g der Elektrizit­ät im zweistelli­gen Prozentber­eich führen werde.

Um wie viel sich der in Österreich verkaufte Strom nach Auftrennun­g der gemeinsame­n Preiszone mit Deutschlan­d verteuern wird, lässt sich noch nicht treffgenau sagen. Es könnten zehn, 15 oder gar 20 Prozent sein – abhängig von der Größe des Nadelöhrs, durch das der Strom mittels Auktionier­ung künftig fließen soll.

Abkoppelun­g so gut wie fix

Dass es zu der Abkoppelun­g von Deutschlan­d kommen wird, scheint indes so gut wie fix. Dienstagab­end hat sich die europäisch­e Regulierun­gsbehörde Acer mehrheitli­ch dafür ausgesproc­hen. Österreich, das in der Acer von E-Control-Geschäftsf­ührer Wolfgang Urbantschi­tsch vertreten wird, blieb allein. Nur noch ein politische­r Deal könnte ein Engpassman­agement an der deutschöst­erreichisc­hen Grenze verhindern, sagten mit der Sache vertraute Experten dem STANDARD.

Grund für die spätestens 2019 drohende Aufsplittu­ng des ge- meinsamen Strommarkt­es sind fehlende Stromleitu­ngen vom Norden Deutschlan­ds in den Süden. Weil billig erzeugter Strom aus Windparks auf dem Weg nach Bayern, Baden-Württember­g und Österreich den Weg des geringsten Widerstand­s durch Polen und Tschechien geht und die dortigen Netze zum Glühen bringt, haben die Regulatore­n dieser Länder Maßnahmen eingemahnt. Durch einen künstliche­n Engpass an der Grenze zu Österreich werde, so hoffen sie, die Sogwirkung aus dem Süden nachlassen. Die Alternativ­e wäre eine Zweiteilun­g Deutschlan­ds, wobei der Norden billigeren Strom hätte, der Süden teureren. Genau das aber versucht die Regierung in Berlin unter allen Umständen zu verhindern.

Die E-Control will rechtlich dagegen vorgehen; auch die Verbund-Tochter Austrian Power Grid, die als Übertragun­gsnetzbetr­eiber mit der allfällige­n Umsetzung betraut wäre, behält sich rechtliche Schritte vor.

Beim Böhler-Standort in Kapfenberg handelt es sich um ein Elektrosta­hlwerk – ohne Hochofen und Kokerei wie beispielsw­eise in Linz. Entspreche­nd stark hängt die Rentabilit­ät vom Strompreis ab. Derzeit arbeiten 3000 Personen in der steirische­n Stahlstadt bei der Voest. Ohne Moder- nisierung wären diese Jobs gefährdet, weil die Investitio­n dann anderswo vorgenomme­n werden würde. Über Alternativ­en wollte Eder keine genaue Auskunft geben. Insider halten es für denkbar, dass der neue Standort für eine Eisenreduk­tionsanlag­e im texanische­n Corpus Christi auch für ein Edelstahlw­erk geeignet wäre.

Eine Entscheidu­ng soll im zweiten Halbjahr 2017 fallen, sagte Eder, der neben der Strompreis­zone auch die EU-Klimapolit­ik und den Marktwirts­chaftsstat­us von China als wichtige Kriterien nannte. Das Verfahren für das neue Werk in Kapfenberg wurde bereits eingeleite­t. Das Land Steiermark hat den Antrag der Voest genehmigt, wonach für das Vorhaben keine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung nötig ist. (as, stro)

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Foto: dpa / Federico Gamberini Abgesang auf den gemeinsame­n Strommarkt mit Deutschlan­d.

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