Schlechte Zeiten für private Altersvorsorge
Die fetten Jahre in der privaten Altersvorsorge sind bis auf weiteres vorbei. Anpassungen bei der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge und Lebensversicherungen sollen der Zinsdiät aber ein Schnippchen schlagen.
Wien – „Das Versicherungsgeschäft besteht aus Glückspilzen und Pechvögeln.“Robert Lasshofer, Generaldirektor der Wiener Städtischen, bricht die private Vorsorge auf einen einfachen Nenner herunter: Wer lange lebt, kommt entsprechend viele Jahre in den Genuss von Pensionszusagen. Bei einem frühen Tod sei der angesparte Kapitalstock für das Individuum verloren. Das System berücksichtigt ihm zufolge diese Verteilung – aber dessen ungeachtet ist die heimische Versicherungswirtschaft nicht allzu glücklich mit der Entwicklung der dritten Pensionssäule.
Flexiblere Veranlagung
Der Boom vergangener Jahre ist längst abgeflaut, zudem macht die von der EZB auferlegte Zinsdiät den Anbietern und damit auch den Kunden schwer zu schaffen. Folglich ruft die Branche nach Veränderungen, etwa bei der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge: Mehr Flexibilität in der Veranlagung fordern daher die Vertreter der Assekuranzen auf einer Podiumsdiskussion des Finanzmarketingverbands über die Zukunft der privaten Altersvorsorge. Als Beispiel bringen sie mit dem Wohnbau eine mögliche Alternative ins Spiel.
„Auf diese Weise kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, erklärt Lasshofer die Idee dahinter. Einerseits könne mit dem Kapital Wohnraum geschaffen werden, zudem würden die Mieten die benötigten Renditen für die Zukunftsvorsorge einspielen. Bei dieser sind regelmäßige und planbare Rückflüsse, wie sie in normalen Zinsphasen zum Beispiel von sicheren Staatsanleihen eingespielt wurden, nötig für die Kapitalgarantie. Anderenfalls müsste diese nämlich teuer zugekauft werden. Wolfram Littich, Vorstand der Allianz Österreich, betonte, dass auch Infrastrukturinvestitionen diese benötigten stabilen Verzinsungen über lange Zeiträume erzielen würden.
Bewegung zeichnet sich unterdessen bei der Verwendung der Zukunftsvorsorge ab. Laut Manfred Rapf, Vorsitzender der Sektion Leben des Versicherungsverbands, sollen künftig Kunden beim Pensionsantritt die Möglichkeit erhalten, das Angesparte in eine Pflegeversicherung zu übertragen. In Kraft treten werde diese Option voraussichtlich Anfang kommenden Jahres, wie er am Rande der Veranstaltung sagte.
Im Bereich Lebensversicherungen meint er, dass die Verkaufsargumente angepasst werden müssten. Früher sei es der Verweis auf Renditen von sieben bis acht Prozent gewesen, bei denen man „vom Zinseszins erschlagen wurde“. Heute sollte die Absicherung der Familie in den Fokus rücken – sowie jene des eigenen Lebensabends. Denn der Durchschnittsbürger unterschätzt laut Rapf die eigene Lebenserwartung um sieben Jahre.
Gegen Vermutungen, die Assekuranzen würden sich gern des Altbestands an Lebensversicherungen mit hohen Garantiezinsen entledigen, verwehrt sich Rapf: „Die Kunden kommen sicher nicht zum Handkuss.“Man habe auch kein Problem mit alten Verträgen mit vier Prozent garantierter Verzinsung, da früher sichere Anleihen mit gleicher Laufzeit sechs Prozent eingespielt hätten.
Mehrfach wurden auch die Vorteile des Zusammenspiels von staatlicher Pension und kapitalgedeckter Vorsorge betont, wobei Professor Wolfgang Mazal, Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Wien, auf die Gemeinsamkeiten verwies: Das Umlageverfahren brauche ebenso wirtschaftliche Dynamik wie das Kapitaldeckungsverfahren. Der Vorteil von Letzterem: Die Wachstumsdynamik anderer Regionen könne über Wertpapiere ins heimische Pensionssystem importiert werden.
„Es gibt kein Land der Welt, das so hohe Leistungsversprechen abgegeben hat“, kritisiert Mazal das staatliche Pensionsystem. Dieses wagt sich seiner Ansicht nach zu weit auf das Terrain der betrieblichen Vorsorge. Oder anders ausgedrückt: Anstatt sich wie international gängig auf die Grundversorgung zu beschränken, versuche das Umlageverfahren auch den Lebensstandard abzusichern. Darüber hinausgehendes „Zubrot“sieht Mazal eigentlich bei der privaten Vorsorge angesiedelt – worum als logische Folge die zweite und die dritte Pensionssäule konkurrieren müssen. Ein Problem sieht Mazal darin, dass man sich in Österreich nur schwer von diesem historisch gewachsenen Muster lösen könne.
Tektonische Spannungen
Zusammenfassend vergleicht der Professor Österreichs Pensionssystem mit einem harmonischen Landschaftsbild: „Man sieht eine wunderschöne Oberfläche, aber darunter gibt es tektonische Spannungen, die sich gewaschen haben.“Diese gelte es abzubauen, bevor sie sich entladen. Dazu regt Mazal etwa eine automatische Koppelung von Pensionsantrittsalter mit Veränderungen der Lebenserwartung an. „Das gesamte System hat Angst vor steigender Lebenserwartung und hat die Augen davor zugemacht.“
Wobei die zu erwartende Lebensdauer im Durchschnitt in Österreich zwar noch immer steige, erläutert Uniqa-Vorstand Peter Eichler, allerdings „erkennt man eine Spreizung“. Sprich, in manchen Schichten hat sich die Steigerungen der Lebenserwartung bereits stark eingebremst. Just diese Bevölkerungsteile sind aber wohl nur in überschaubarem Ausmaß Kunden von Lebensversicherern – womit in diesem Fall gewissermaßen die Assekuranzen die Pechvögel wären.