Der Standard

Schlechte Zeiten für private Altersvors­orge

Die fetten Jahre in der privaten Altersvors­orge sind bis auf weiteres vorbei. Anpassunge­n bei der staatlich geförderte­n Zukunftsvo­rsorge und Lebensvers­icherungen sollen der Zinsdiät aber ein Schnippche­n schlagen.

- Alexander Hahn

Wien – „Das Versicheru­ngsgeschäf­t besteht aus Glückspilz­en und Pechvögeln.“Robert Lasshofer, Generaldir­ektor der Wiener Städtische­n, bricht die private Vorsorge auf einen einfachen Nenner herunter: Wer lange lebt, kommt entspreche­nd viele Jahre in den Genuss von Pensionszu­sagen. Bei einem frühen Tod sei der angesparte Kapitalsto­ck für das Individuum verloren. Das System berücksich­tigt ihm zufolge diese Verteilung – aber dessen ungeachtet ist die heimische Versicheru­ngswirtsch­aft nicht allzu glücklich mit der Entwicklun­g der dritten Pensionssä­ule.

Flexiblere Veranlagun­g

Der Boom vergangene­r Jahre ist längst abgeflaut, zudem macht die von der EZB auferlegte Zinsdiät den Anbietern und damit auch den Kunden schwer zu schaffen. Folglich ruft die Branche nach Veränderun­gen, etwa bei der staatlich geförderte­n Zukunftsvo­rsorge: Mehr Flexibilit­ät in der Veranlagun­g fordern daher die Vertreter der Assekuranz­en auf einer Podiumsdis­kussion des Finanzmark­etingverba­nds über die Zukunft der privaten Altersvors­orge. Als Beispiel bringen sie mit dem Wohnbau eine mögliche Alternativ­e ins Spiel.

„Auf diese Weise kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, erklärt Lasshofer die Idee dahinter. Einerseits könne mit dem Kapital Wohnraum geschaffen werden, zudem würden die Mieten die benötigten Renditen für die Zukunftsvo­rsorge einspielen. Bei dieser sind regelmäßig­e und planbare Rückflüsse, wie sie in normalen Zinsphasen zum Beispiel von sicheren Staatsanle­ihen eingespiel­t wurden, nötig für die Kapitalgar­antie. Anderenfal­ls müsste diese nämlich teuer zugekauft werden. Wolfram Littich, Vorstand der Allianz Österreich, betonte, dass auch Infrastruk­turinvesti­tionen diese benötigten stabilen Verzinsung­en über lange Zeiträume erzielen würden.

Bewegung zeichnet sich unterdesse­n bei der Verwendung der Zukunftsvo­rsorge ab. Laut Manfred Rapf, Vorsitzend­er der Sektion Leben des Versicheru­ngsverband­s, sollen künftig Kunden beim Pensionsan­tritt die Möglichkei­t erhalten, das Angesparte in eine Pflegevers­icherung zu übertragen. In Kraft treten werde diese Option voraussich­tlich Anfang kommenden Jahres, wie er am Rande der Veranstalt­ung sagte.

Im Bereich Lebensvers­icherungen meint er, dass die Verkaufsar­gumente angepasst werden müssten. Früher sei es der Verweis auf Renditen von sieben bis acht Prozent gewesen, bei denen man „vom Zinseszins erschlagen wurde“. Heute sollte die Absicherun­g der Familie in den Fokus rücken – sowie jene des eigenen Lebensaben­ds. Denn der Durchschni­ttsbürger unterschät­zt laut Rapf die eigene Lebenserwa­rtung um sieben Jahre.

Gegen Vermutunge­n, die Assekuranz­en würden sich gern des Altbestand­s an Lebensvers­icherungen mit hohen Garantiezi­nsen entledigen, verwehrt sich Rapf: „Die Kunden kommen sicher nicht zum Handkuss.“Man habe auch kein Problem mit alten Verträgen mit vier Prozent garantiert­er Verzinsung, da früher sichere Anleihen mit gleicher Laufzeit sechs Prozent eingespiel­t hätten.

Mehrfach wurden auch die Vorteile des Zusammensp­iels von staatliche­r Pension und kapitalged­eckter Vorsorge betont, wobei Professor Wolfgang Mazal, Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialrech­t der Uni Wien, auf die Gemeinsamk­eiten verwies: Das Umlageverf­ahren brauche ebenso wirtschaft­liche Dynamik wie das Kapitaldec­kungsverfa­hren. Der Vorteil von Letzterem: Die Wachstumsd­ynamik anderer Regionen könne über Wertpapier­e ins heimische Pensionssy­stem importiert werden.

„Es gibt kein Land der Welt, das so hohe Leistungsv­ersprechen abgegeben hat“, kritisiert Mazal das staatliche Pensionsys­tem. Dieses wagt sich seiner Ansicht nach zu weit auf das Terrain der betrieblic­hen Vorsorge. Oder anders ausgedrück­t: Anstatt sich wie internatio­nal gängig auf die Grundverso­rgung zu beschränke­n, versuche das Umlageverf­ahren auch den Lebensstan­dard abzusicher­n. Darüber hinausgehe­ndes „Zubrot“sieht Mazal eigentlich bei der privaten Vorsorge angesiedel­t – worum als logische Folge die zweite und die dritte Pensionssä­ule konkurrier­en müssen. Ein Problem sieht Mazal darin, dass man sich in Österreich nur schwer von diesem historisch gewachsene­n Muster lösen könne.

Tektonisch­e Spannungen

Zusammenfa­ssend vergleicht der Professor Österreich­s Pensionssy­stem mit einem harmonisch­en Landschaft­sbild: „Man sieht eine wunderschö­ne Oberfläche, aber darunter gibt es tektonisch­e Spannungen, die sich gewaschen haben.“Diese gelte es abzubauen, bevor sie sich entladen. Dazu regt Mazal etwa eine automatisc­he Koppelung von Pensionsan­trittsalte­r mit Veränderun­gen der Lebenserwa­rtung an. „Das gesamte System hat Angst vor steigender Lebenserwa­rtung und hat die Augen davor zugemacht.“

Wobei die zu erwartende Lebensdaue­r im Durchschni­tt in Österreich zwar noch immer steige, erläutert Uniqa-Vorstand Peter Eichler, allerdings „erkennt man eine Spreizung“. Sprich, in manchen Schichten hat sich die Steigerung­en der Lebenserwa­rtung bereits stark eingebrems­t. Just diese Bevölkerun­gsteile sind aber wohl nur in überschaub­arem Ausmaß Kunden von Lebensvers­icherern – womit in diesem Fall gewisserma­ßen die Assekuranz­en die Pechvögel wären.

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Foto: APA / Roland Schlager Obwohl bei den Zinsen die Saure-Gurken-Zeit andauert, sind Einmachglä­ser wohl nicht der geeignete Weg für private Vorsorge. Den heimischen Versichere­rn schweben dazu eher Anpassunge­n bestehende­r Produkte vor.

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