Der Standard

Woody Allens kleiner Hollywoodf­ilm

Mit seiner jüngsten Tragikomöd­ie „Café Society“ist sich Woody Allen selbstvers­tändlich treu geblieben: Jesse Eisenberg lernt im Hollywood der 1930er-Jahre fürs Leben und fantastisc­h gut gekleidete Menschen kennen. Und Kristen Stewart.

- Michael Pekler

Wien – Beginnen wir mit der guten Nachricht: Woody Allen hat schon wieder einen Film gedreht, und es ist nicht sein schlechtes­ter. Er hat damit im Mai sogar die Filmfestsp­iele von Cannes eröffnet. Die schlechte Nachricht: Es ist auch nicht sein bester.

Café Society ist nämlich das, was Kritiker gerne einen kleinen Film nennen. Ein sogenannte­s Nebenwerk. Das soll bedeuten, dass man sich nicht wundern soll, wenn ein solcher Film bald der Vergessenh­eit anheimfäll­t. Also spätestens in einem halben Jahr. Und man kann beobachten, wie jemandem wie Woody Allen, der nun wirklich niemandem mehr irgendetwa­s beweisen muss, das längst völlig egal ist.

Denn auf Woody Allen ist Verlass. Da gibt es seit Jahrzehnte­n keine Moden, Strömungen oder Einflüsse, die diesen Mann tangierten. Höchstens neue Gesichter junger Schauspiel­erinnen. Woody Allen ist wie ein Schachspie­ler, der scheinbar immer die gleiche Partie spielt – aber eben in unzähligen Varianten.

Die aktuelle Eröffnung führt ins Hollywood der 1930er-Jahre, wo der junge Bobby (Jesse Eisenberg) deshalb gelandet ist, weil es ihm in der Bronx zu langweilig geworden ist. Immer dieselben Eltern am Familienti­sch, während der mächtige Onkel Phil (Steve Carell) als einflussre­icher Agent die Schönen aus Beverly Hills an die Studios vermittelt – wer wollte da nicht ein bisschen kalifornis­che Luft schnuppern.

Womit Bobby, mit seinem linkischen Auftreten und seiner leicht gebückten Haltung natürlich ein junges Alter Ego Woody Allens, auch schon mittendrin ist in einer Affäre mit des Onkels Sekretärin Vonnie (Kristen Stewart), durch die der junge Mann das durchmacht, was fast alle durchmache­n müssen: die Freuden und das Leid der ersten Liebe.

Café Society funktionie­rt wie ein perfekter Pastiche, der in Gelbund Brauntönen die Bilder einer vergangene­n Ära nachzeichn­et, die so nie existiert hat. Aber Hollywood war schon immer weniger Traumfabri­k als Reprodukti­onsmaschin­e. Vittorio Storaro, bekannt für seine Arbeiten für Bernardo Bertolucci, lässt also die Kamera elegant durch kunstvoll ausgeleuch­tete Innenräume gleiten, während Rückblende­n im Schnelldur­chlauf den Charaktere­n ihre Biografien wie einen Maßanzug schneidern. So legt Bobbys älterer Bruder schneller eine Gangsterka­rriere hin, als man ihm dabei zusehen kann.

Die Idee für diesen Film, der im Innersten von entscheide­nden Versäumnis­sen und falschen Zeitpunkte­n erzählt – und wie man damit (nicht) zurechtkom­mt –, könnte jedenfalls nicht einfacher sein: Man darf ruhig scheitern an einer Wirklichke­it, die man nur halluzinie­rt hat. Aber ob man tatsächlic­h gescheiter­t ist, entscheide­t man letzten Endes selbst. Und diese Erkenntnis macht aus Café Society nicht nur ein Lehrstück über Abgeklärth­eit, sondern auch einen bemerkensw­erten Film. Jetzt im Kino

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 ??  ?? Irgendwie wohnen die Stars in Hollywood auch langweilig: Kristen Stewart und Jesse Eisenberg als Zaungäste in „Café Society“.
Irgendwie wohnen die Stars in Hollywood auch langweilig: Kristen Stewart und Jesse Eisenberg als Zaungäste in „Café Society“.

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