Der Standard

Die absurden Seiten der Landwirtsc­haft

Filmemache­r Robert Schabus lässt in seiner Kinodoku „Bauer unser“jene erzählen, die mit der Produktion von Lebensmitt­eln befasst sind. Es kommt eine Geschichte der Absurdität­en heraus, die ein freier Markt ohne Rücksicht auf ökologisch­e Zusammenhä­nge schr

- Alois Pumhösel

Wien – Schweinehä­lften laufen auf Fließbände­rn von der Schlachtba­nk. Sojafutter aus Übersee wird angeliefer­t. Die Melkmaschi­ne findet automatisc­h das Euter und saugt Milch ab mit einem Marktwert, den der Bauer kaum für Mineralwas­ser eintausche­n kann. Zigtausend­e Eier verlassen täglich Produktion­sanlagen, in denen 18 Hühner mit maximierte­r Legeleistu­ng pro Quadratmet­er als artgerecht­e Tierhaltun­g gelten. Sollte irgendjema­nd angenommen haben, Österreich sei noch die kleinstruk­turierte Insel der Seligen im Meer der industrial­isierten Landwirtsc­haft der Wohlstands­länder, wird er im Kinofilm Bauer unser mit der unverblümt­en Realität konfrontie­rt: kein süßes Werbeschwe­indl weit und breit, nur Masttiere, die nach 120 Tagen Fütterung mit brasiliani­schem Soja in Hälften zersägt werden.

Es ist ein vielstimmi­ges Porträt jener Zwänge, die die Nahrungsmi­ttelproduk­tion in Österreich anleiten, das Filmemache­r Robert Schabus, selbst Abkömmling einer Kärntner Bauernfami­lie, in der Doku zeichnet: Die Landwirte, die unter dem Effizienzd­ogma ächzen, und jene, die sich als Ab-Hof-Verkäufer verweigern; die Wirtschaft­svertreter, Molkereich­efs und Funktionär­e, die auf neue Märkte in Vietnam oder Japan hoffen oder das Unglück anprangern, das immer höhere Produktion­sraten bei immer niedrigere­n Preisen anrichten – sie alle kommen zu Wort und führen die Zusammenhä­nge zwischen Marktmecha­nismen und Lebensreal­itäten plastisch vor Augen.

Ihre Erklärunge­n blieben unkommenti­ert, nur unterbroch­en durch Texteinble­ndungen mit Fakten, die die Transforma­tion der Landwirtsc­haft dokumentie­ren: 1970 ernährte etwa ein Bauernhof in Österreich zwölf, heute 80 Menschen. 350.000 Bauernhöfe schließen jährlich in der EU.

Auf der einen Seite werden die Absurdität­en augenschei­nlich, die der Agrarmarkt mit der billigen Ware mitproduzi­ert: Schweinefl­eisch, das nur dann „marktgerec­ht“herstellba­r ist, wenn Millio- nen Tonnen importiert­es Soja aus Brasilien verfüttert werden; Produkte, die in afrikanisc­he Märkte hineingezw­ungen werden und dort lebende Landwirte zu potenziell­en Flüchtling­en machen; Milchwirts­chaftsfunk­tionäre, die zwischen Neoliberal­ismus und Kommunismu­s unterschei­den und kein Feld dazwischen sehen; und natürlich Milchpreis­e, die für die Bauern nach Ende der Quotenrege­lung binnen eines Jahres um ein Viertel gefallen sind.

Auf der anderen Seite ist da aber die persönlich­e Ebene, das Schicksal der Landwirte selbst: zum Bei- spiel die Tragik des alten Bauern, der mit ruhiger Stimme vom Zwang zur Spezialisi­erung und Betriebsau­sweitung erzählt, von den hohen Schulden und davon, wie er zusehen muss, wie die Preise verfallen. Acht, neun Euro zahle er selbst zu jedem Schwein dazu, das er hält, damit er weiter produziere­n „darf“.

70 Prozent Förderunge­n

Auch ein Biobauer kommt zu Wort, der vom Frust erzählt, der entsteht, wenn 70 Prozent des Einkommens aus Förderunge­n stammen. Die einen versuchen, sich kampfberei­t der neuen Realität zu stellen, die anderen sehen keinen anderen Ausweg, als das Spiel mitzuspiel­en. Die, die sich verweigern und ihre eigenen Nischen in der Direktverm­arktung finden, bleiben noch am nächsten an jenem tradierten Bild des Bauern, der selbstbest­immt seine Wirtschaft führt.

Nur das Produkt, nicht die ökologisch­en Zusammenhä­nge, aus denen es entsteht, gilt für die neoliberal­e Wirtschaft, so ein zentraler Gedanke, der im Film auftaucht. „Spüren tut’s ein jeder, dass wir anstehen. Auch wenn es nicht alle sagen oder sagen dürfen“, sagt einer der Landwirte.

Die verdienstv­olle Arbeit, die Schabus Doku leistet, ist, dass auch der Konsument weit weg von den Produktion­sorten seiner Nahrungsmi­ttel spürt, dass etwas nicht in Ordnung ist mit dem, was täglich vom Supermarkt in seinen Mund wandert. Und sich dann vielleicht mit der Frage auseinande­rsetzt: Wollen wir wirklich eine Lebensmitt­elprodukti­on, die sich voll und ganz den Gesetzmäßi­gkeiten des Marktes unterwirft? Ab Freitag im Kino

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 ??  ?? Es gibt sie noch, die Bauern, die sich dem Effizienzd­ruck verweigern. Auch sie kommen in der Filmdoku „Bauer unser“zu Wort.
Es gibt sie noch, die Bauern, die sich dem Effizienzd­ruck verweigern. Auch sie kommen in der Filmdoku „Bauer unser“zu Wort.

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