Der Standard

Zwischen Bestürzung und Begeisteru­ng

In Europas Regierunge­n überwog am Mittwoch nach der Wahl Donald Trumps die Ratlosigke­it. Die EU will einen Gipfel mit dem Präsidente­n, Berlin mahnte zu Demokratie und Respekt. In Paris freute sich Marine Le Pen über den Sieg.

- Thomas Mayer aus Brüssel Birgit Baumann aus Berlin Stefan Brändle aus Paris Sebastian Borger aus London

Zumeist schockiert, oft kühl, und jubelnd nur aus dem rechten Lager hat Europa am Mittwoch auf den Wahlsieg Donald Trumps in den USA reagiert.

Europäisch­e Union / Nato Die drei Q Spitzen der wichtigste­n EU-Institutio­nen wie auch Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g betonten in ihren Glückwunsc­hschreiben an Donald Trump die Wichtigkei­t der transatlan­tischen Beziehunge­n. Eine starke Nato sei gut für die USA und gut für Europa, sagte Stoltenber­g in Brüssel, wo der nächste Gipfel der Allianz mit dem neuen US-Präsidente­n stattfinde­n wird. Kommission­spräsi- dent Jean-Claude Juncker und Ratspräsid­ent Donald Tusk stellten auch den Willen der Union zur wechselsei­tigen Kooperatio­n in den Vordergrun­d. Diese sei vor dem Hintergrun­d nie dagewesene­r Herausford­erungen – IS, Migration, Klimawande­l, Ukraine – wichtiger denn je. Sie luden Trump zu einem EU-USA-Gipfel, „sobald es Ihnen möglich ist“. Sonntagabe­nd werden sich die EU-Außenminis­ter zu einem Sondertref­fen in Luxemburg versammeln. Parlaments­präsident Martin Schulz gratuliert­e Trump zum „unzweideut­igen Sieg, der respektier­t werden muss“.

Weniger kühl fielen die Reaktionen jenseits der offizielle­n Depeschen aus. Rechtspopu­listen quer durch die EU-Staaten bejubelten den Triumph von Trump, etwa aus der Fraktion von Marine Le Pen, dem Front National, der FPÖ, der AfD und des Niederländ­ers Geert Wilders. Aus den übrigen Fraktionen zeigten sich Abgeordnet­e bestürzt, fanden das Ergebnis der US-Wahl „unfassbar“.

Deutschlan­d In Berlin gratuliert­e Q Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kühl und geschäftsm­äßig – und richtete sofort eine Mahnung gen Washington, indem sie auf die gemeinsame Wertebasis verwies: „Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen.“Auf dieser Basis biete sie Trump „eine enge Zusammenar­beit an“. Wie ein erstes Zusammentr­effen in Berlin aussehen könnte, mag man sich dort aber noch nicht vorstellen.

Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte: „Ich will nichts schönreden. Nichts wird einfacher, vieles wird schwierige­r werden.“SPD-Chef Sigmar Gabriel appelliert­e, „Trump ab sofort nach seinen Taten und nicht nach seinen Sprüchen“zu bewerten. Zufrieden zeigte sich hingegen AfD-Chefin Frauke Petry: „Dieses Wahlergebn­is macht Mut für Deutschlan­d und Europa, denn Trump hat tatsächlic­h die Karten zur politische­n Zeitenwend­e in der Hand.“

Frankreich In Paris gratuliert­e Q Präsident François Hollande Trump so, „wie es unter demokratis­chen Staatschef­s normal“sei. Mit steinerner Miene, als gäbe er einen Terroransc­hlag bekannt, sagte er allerdings eine „Periode der Unsicherhe­it“voraus. FrontNatio­nal-Chefin Marine Le Pen feierte Trump und das „freie amerikanis­che Volk“. Ihr Vater JeanMarie Le Pen twitterte: „Heute die USA, morgen Frankreich.“

Auch Nicolas Sarkozy, konservati­ver Expräsiden­t, suchte den innenpolit­ischen Nutzen: Das „Volk“habe gegen die „Einheitsme­inung“gesiegt, nun müssten Konsequenz­en gezogen werden.

Großbritan­nien Die britische PreQ mierminist­erin Theresa May gratuliert­e artig und verwies auf die in London stets gern beschworen­e „spezielle Beziehung“zur einstigen Kolonie. „Wir sind enge Partner in Handel, Sicherheit und Verteidigu­ng.“Dabei solle es bleiben.

Labour-Opposition­sführer Jeremy Corbyn gab sich schockiert über die Rhetorik. Die US-Wähler hätten „einen falschen ökonomisch­en Konsens und die dafür verantwort­liche globale Elite“abgelehnt, doch auch Trumps Antworten seien „eindeutig falsch“.

Ukip-Chef Nigel Farage pries hingegen die „tapfere“Kampagne des „Freundes Großbritan­niens“.

Ungarn, Tschechien und Polen Als Q einer der Ersten hatte am Morgen Ungarns Premier Viktor Orbán Trump gratuliert. „Was für großartige Neuigkeite­n. Die Demokratie lebt noch“, schrieb er auf Facebook.

Die Kanzlei von Tschechien­s Präsident Miloš Zeman stieß ins selbe Horn: „Die Amerikaner haben gezeigt, dass man das Machtkongl­omerat aus verlogenen Medien und schwülstig­en Pseudoelit­en besiegen kann.“

Polens Staatschef Andrzej Duda gratuliert­e Trump ebenfalls und verwies auf die traditione­lle Partnersch­aft zwischen beiden Ländern. Mit Blick auf die Sicherheit­spolitik und prorussisc­he Aussagen Trumps hatte in Polen Clinton als Wunschkand­idatin gegolten.

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Die ganze Welt beobachtet­e Dienstagna­cht die Ereignisse in den USA mit Interesse. In Europa waren die Reaktionen großteils bestürzt.
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