Hillary Clintons lange Schrecksekunde
In New York war bereits alles vorbereitet für Hillary Clintons große Siegesfeier. Nach dem Triumph von Donald Trump zog Clinton sich zurück. Ihre Niederlage wollte sie erst am nächsten Tag öffentlich einbekennen.
Die Videobotschaft, die der amtierende US-Präsident Barack Obama noch in der Wahlnacht via Twitter verbreitete, sollte zum Optimismus aufrufen und wirkte dennoch düster. „Egal, was passiert: Die Sonne wird morgen wieder aufgehen“, sagte Obama, der die demokratische Kandidatin Hillary Clinton unterstützt hatte, und rief dazu auf, die Gräben zwischen den politischen Lagern zu überbrücken. Die Demokratie in den USA sei immer schon streitlustig und rau gewesen, erklärte er dabei mit Blick auf den harten Wahlkampf, der auch reich war an persönlichen Untergriffen.
„Egal, was passiert“– die Formulierung verwendete in der Wahlnacht auch Hillary Clinton selbst. Ihr Team, erklärte sie ebenfalls via Twitter, könne stolz auf sich sein. Das Foto unter dem kurzen Text vermittelte dabei keinerlei Siegesgewissheit: Clinton umarmt mit geschlossenen Augen ein junges Mädchen. Müdigkeit lag in diesem Bild, Empathie und für den Fall des bereits immer unwahrscheinlicher gewordenen Triumphs vielleicht sogar Zufriedenheit – aber gewiss kein Jubel.
Stunden später, als sich der Sieg Donald Trumps bereits klar abzeichnete, verharrte das Team Hillary Clintons dann in Schockstarre. Wahlkampfleiter John Podesta trat in New York lediglich mit einer dürren Erklärung vor die ClintonAnhänger: Diese sollten nach Hause gehen und warten, bis alle Stimmen ausgezählt seien.
Noch sei das Rennen nicht verloren – zu diesem Zeitpunkt bereits ein mehr als waghalsiges Statement.
„Die Nation heilen“
Rasch verbreitete sich daraufhin die Nachricht, dass Hillary Clinton in der Wahlnacht nicht mehr öffentlich auftreten werde. Aus ihrem Umfeld hieß es, sie wolle „keine überhastete Rede“halten, sondern sich lieber erst am Mittwoch (Ortszeit) an das Volk wenden – mit einer „wohlwollenden Ansprache, die die Nation heilen soll“. In den sozialen Medien erntete Clinton dafür nicht wenig Kritik. Viele sahen sie als schlechte Verliererin. In einem Telefonat mit Donald Trump hatte Clinton ihre Niederlage allerdings eingestanden.
Dabei waren die Anhänger Hillary Clintons bereits zu Tausenden zum Jacob-Javits-Kongresszentrum in New York geströmt. Überzeugt von einem bevorstehenden Sieg ihrer Kandidatin wollten die Demokraten am Dienstag in dem mächtigen Glaspalast im Westen Manhattans die 69-Jährige als erste Präsidentin der USA feiern.
Nach Bekanntwerden des Ergebnisses war dann aber nicht nur die Party abgesagt, sondern eben auch die Rede Clintons. Zu groß wäre der Schwenk gewesen von einer rauschenden Siegesfeier zum öffentlichen Eingeständnis der Niederlage, meinten US-Kommentatoren. Die Rede sollte erst später am Mittwoch erfolgen – nach einer Schrecksekunde, die eine ganze Nacht lang dauern sollte.