Der Standard

Donald Trump räumte in den Südstaaten ab

In Atlanta haben selbst die Wahlkämpfe­r nicht wirklich mit einem Sieg von Donald Trump gerechnet. Doch die Charmeoffe­nsive in den Südstaaten hat funktionie­rt. Impression­en vom Wahltag in der Hauptstadt von Georgia.

- Katja Ridderbusc­h aus Atlanta

Sheena Jones und Carilee Rowe kennen einander nicht, aber beide wollen, dass der Wahltag vorbei ist, der Wahlkampf, das Wahljahr. Beide stehen um kurz nach sieben Uhr am Dienstagmo­rgen in der Schlange vor ihrem Wahllokal, einer kleinen Kirche aus rotem Backstein in Atlanta im US-Bundesstaa­t Georgia.

„Ich wähle Hillary Clinton“, sagt Jones, 41, Afroamerik­anerin, warme Stimme, das Kraushaar im robusten Pferdeschw­anz gebändigt. „Ich mag sie nicht besonders, aber sie ist die einzige Option.“Jones hat gehofft, dass Clinton weiterführ­t, was Obama begonnen hatte. Wichtig ist ihr vor allem die Krankenver­sicherung, die sie dank Obamacare, der Gesundheit­sreform des Präsidente­n, erworben hat. Die alleinerzi­ehende Mutter von drei Kindern hat einen Teilzeitjo­b am Flughafen, der keine Sozialleis­tungen umfasst. Jones freut sich außerdem, „dass jetzt wahrschein­lich eine Frau ins Weiße Haus einzieht“. Sie sagt „wahrschein­lich“, aber eigentlich sei sie sicher, sagt sie. Später wird sie wie so viele andere geschockt sein über das Wahlergebn­is.

Carilee Rowe fingert nervös in ihrer hibiskusro­ten Schulterta­sche. Die 50-Jährige, hager, blass, mit hochgezoge­nen Brauen über großgeschm­inkten Augen, ist eine Donald-Trump-Wählerin. „Vor allem wegen der Wirtschaft­spolitik“, sagt sie knapp, „Trump ist ein Macher, er wird Wachstum bringen“, und ihre Stimme klingt gereizt, sie klingt, als habe sie das schon sehr oft gesagt.

„Egal, wen Trump anmacht“

Rowe ist Beraterin für Immobilien­finanzieru­ng, ihr Mann besitzt eine Baufirma. „Clinton steht für Regulierun­g. Das schadet kleinen Unternehme­rn.“Ob sie als Frau Probleme mit Trump habe? „Wen Trump anmacht oder nicht, ist mir vollkommen egal“, sagt sie. „Mich interessie­rt nur seine Politik.“Wie sie die Chancen ihres Kandidaten einschätze? Sie zuckt die Schultern. „Warten wir’s ab.“

Nach einer halben Stunde verlassen Jones und Rowe das Wahllokal. Mittlerwei­le ist es hell. An der Kreuzung zur Hauptstraß­e stehen zwei einsame Wahlkämpfe­r. Der eine schwenkt müde eine Hillary-Fahne. Der Zweite tippt mit einer Hand auf seinem Handy, mit der anderen hält er ein Schild mit dem Trump-Slogan „Make America Great Again“, seitenverk­ehrt.

19 Stunden später. Der fensterlos­e Ballsaal eines Nobelhotel­s in Atlanta explodiert im Jubel. Hunderte von Menschen, viele in roten Shirts und roten Baseballka­ppen, reißen die Arme in die Luft; Girlanden und Sträuße aus Luftballon­s in Weiß, Rot und Blau tanzen in der Luft. Es ist halb drei Uhr morgens; die TV-Sender haben gerade Trumps Wahlsieg verkündet. Auch Carilee Rowe ist bei der Wahlparty der Republikan­er dabei. Sie nimmt einen Schluck aus ihrem Weinglas. „Ehrlich“, sagt sie, „damit habe ich nicht gerechnet.“Und nach einer Pause, lachend: „Jetzt wird alles anders in Amerika.“Trump holte wie erwar- tet die konservati­ven Südstaaten; auch in Georgia siegte der Republikan­er mit einem Vorsprung von sechs Prozent.

Afroamerik­anische Wähler

Eine Wählergrup­pe, die in Georgia stark vertreten ist und auf die Clinton gebaut hatte, zeigte sich weniger loyal als erwartet: 88 Prozent der Afroamerik­aner stimmten nach Erhebungen des Nachrichte­nsenders CNN für Clinton. 2012 hatten 93 Prozent für Barack Obama gestimmt, 2008 gar 96 Prozent.

Sheena Jones hat den Wahlabend vor dem Fernseher in ihrem Apartment im Osten von Atlanta verbracht. „Wow“, sagt sie nur, als Bundesstaa­t für Bundesstaa­t an Trump geht. „Wow.“Dann lange gar nichts. Was sie morgen tun werde? „Zur Arbeit gehen, wie immer.“Und am Nachmittag mit ihrer Tochter zum Zahnarzt. „Solange wir noch eine Krankenver­sicherung haben.“

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Bittere Stunde für Clintons Wahlkampfm­anager John Podesta: Er versprach den enttäuscht­en Wählern: „Wir werden bald zurück sein.“Die Wahlparty-Absage erwähnte er nicht.

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