Der Standard

Wie die Meinungsfo­rscher Trumps Erfolg übersahen

Die Umfrageins­titute lagen nicht weit daneben – und haben sich doch völlig geirrt

- Manuel Escher

Am Ende standen sie erneut am Pranger: Die Meinungsfo­rscher haben versagt, heißt es. Schon wieder – nach schweren Fehlschläg­en etwa bei den Midterm-Elections 2014, den britischen Wahlen, beim BrexitVotu­m und der ersten Runde von Österreich­s Präsidente­nwahl.

Dabei war der Irrtum diesmal eigentlich gar nicht so groß: Am Wochenende sagten Umfragen Hillary Clinton im Schnitt landesweit einen Vorsprung von etwa 2,5 Prozentpun­kten voraus. Das ist vom Ergebnis gar nicht weit weg: Am Mittwoch gingen Prognosen davon aus, dass Clinton in der Summe aller abgegebene­n Stimmzette­l einen Vorsprung von knapp einem Prozentpun­kt haben würde. Der Verlust der Präsidents­chaft ist vor allem auf die aus ihrer Sicht ungünstige regionale Verteilung der Stimmen – knappe Verluste in Swing States, hohe Siege in sicheren demokratis­chen Staaten – zurückzufü­hren, die sich in der Verteilung der Wahlmänner niederschl­ägt.

Deutlich daneben lagen die Umfragen teils in den Swing States: Um mehr als vier Prozent etwa in Minnesota, Wisconsin, Michigan, Pennsylvan­ia und Ohio. Sie alle teilen eine Charakteri­stik: Sie sind ehemalige Hochburgen der Demokraten, haben ein starkes Stadt-Land-Gefälle, ihre Bevölkerun­g ist in der Mehrheit weiß, weniger wohlhabend als der USSchnitt und geringer gebildet.

Dass diese Menschen eine Zielgruppe Trumps sein würden, hatten auch die Demoskopen erkannt: Ihre Einschätzu­ng, dass diese Leute mit großer Mehrheit zu Trump neigen würden, bestätigte sich fast auf den Prozentpun­kt. Wo die Forscher hingegen völlig irrten: Sie unterschät­zten die Wahlbeteil­igung dieser Gruppen massiv – und doch ging sie in einem Maß zur Wahl, das Trump in seinen Reden zwar stets angekündig­t hatte, das die Forscher aber für unplausibe­l hielten.

Keine Latino-Wahlwelle

Für kleinere Einschätzu­ngsfehler sorgten hingegen falsche Annahmen über andere Bevölkerun­gsgruppen: In Florida etwa, wo Clinton nur zwei Prozentpun­kte hinter ihren Umfragewer­ten lag, brachte das Wahlkampft­eam der früheren Außenminis­terin zwar Latinos in großem Umfang an die Urnen. Doch stimmte diese Bevölkerun­gsgruppe dann in kleinerem Ausmaß für Clinton als angenommen – insgesamt votierte ein geringerer Prozentsat­z der Latino-Wähler in diesem Jahr für Clinton als vor vier Jahren für Barack Obama. Gleiches gilt für andere Gruppen, um die die Kandidatin geworben hatte, etwa auch für Afroamerik­aner. Und unter den US-amerikanis­chen Wählerinne­n lag Clinton nur in etwa gleich gut wie der amtierende Präsident – dort hatten die Demokraten auf hohe Zuwächse gehofft.

Allerdings war die Frage, wie sicher ein Sieg Clintons tatsächlic­h sei, in der vergangene­n Woche auch unter den US-Umfragepro­fis bereits umstritten. Wahlforsch­ungsguru Nate Silver von fivethirty­eight.com verteidigt­e etwa massiv das Berechnung­smodell seiner Internetpl­attform, das Clinton „nur“eine Siegchance von rund zwei Dritteln einräumte – im Vergleich etwa zu jenen der New York Times und der Huffington Post, die ihr Chancen von 85 und über 90 Prozent zuwiesen.

Auf dem Medienport­al – das freilich die falschen Umfragen aus dem Mittleren Westen ebenfalls aufführte – war in der vergangene­n Woche ein Stück erschienen, auf das man nun mit Stolz verweist. Der Titel: „Trump liegt nur einen normalen Umfragefeh­ler hinter Clinton“.

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