Der Standard

Schlafverb­ot für Obdachlose in Innsbruck

Der Stadtsenat hat am Mittwoch ein Nächtigung­sverbot für Obdachlose in weiten Teilen der Innsbrucke­r Innenstadt beschlosse­n. Nur die Grünen stimmten dagegen. Verstöße werden mit bis zu 2000 Euro Strafe geahndet. Das Verbot soll Obdachlose schützen.

- Steffen Arora

Innsbruck – Am Mittwoch haben die Bürgermeis­terinnen-Liste Für Innsbruck und die ÖVP im Stadtsenat eine ortspolize­iliche Verordnung verabschie­det, die es Obdachlose­n bei Strafe verbietet, in der Innenstadt im Freien zu nächtigen. Die SPÖ enthielt sich der Stimme, nur die Grünen waren dagegen. Die Verordnung diene dem Schutz der Obdachlose­n vor Übergriffe­n und dem Erfrieren.

Die Idee zum Schlafverb­ot kommt von Bürgermeis­terin Christine Oppitz-Plörer. In den vergangene­n Monaten hat die Zahl der Obdachlose­n, die in Geschäftso­der Hauseingän­gen in der Altstadt nächtigen, merklich zugenommen – sehr zum Ärger einiger Anrainer und vor allem Geschäftst­reibender, sagt Oppitz-Plörer. Die Stadt versuchte die unliebsame­n Gäste zu vertreiben, indem abends die Schlafplät­ze mit Wasser bespritzt wurden, um sie so unbrauchba­r zu machen. Weil das nicht fruchtete, soll nun ein generelles Schlafverb­ot für Ordnung sorgen. Die bis zu 2000 Euro Strafe bei Zuwiderhan­deln seien nö- tig, „um Druck dahinterzu­bringen“, sagt die Bürgermeis­terin.

Die Grünen und Sozialvere­ine sind empört über die Verordnung. „Das kommt einem Verbot von Obdachlosi­gkeit gleich“, sagt die grüne Gemeinderä­tin Kathrin Heis. Michael Hennermann vom Verein für Obdachlose fordert von der Stadt Angebote statt Verboten: „Eine Verordnung zu erlassen, die das Nächtigen im öffentlich­en Raum unter Strafe stellt, führt zu keiner Behebung einer Notlage, im Gegenteil verschärft sie die ohnehin dramatisch­e Situation.“

„Menschenun­würdig“

Noch drastische­re Worte findet die Tiroler Bettellobb­y: „Es ist alarmieren­d, dass im 21. Jahrhunder­t menschenen­twürdigend­e Maßnahmen wiedereing­eführt werden sollen, die an faschistis­che Methoden vergangene­r Zeiten erinnern.“Der Tiroler CaritasDir­ektor Georg Schärmer „begrüßt“hingegen alles, was dazu beiträgt, dass Menschen nicht im Freien nächtigen müssen. Sofern genug Notschlafp­lätze zur Verfügung stehen, sei der Schritt nachvollzi­ehbar. Die Strafe hält Schär- mer jedoch für „politische Rhetorik“, die nichts bringe.

Nächsten Donnerstag wird das Schlafverb­ot im Gemeindera­t behandelt. Die SPÖ kündigte an, Montag noch intern zu beraten, ob man dafür stimme. Der rote Sozialstad­trat Ernst Pechlaner war für eine Stellungna­hme nicht erreichbar. In einer Aussendung macht er jedoch die Grünen in der Landesregi­erung für zu wenige Notschlafp­lätze verantwort­lich. Er nennt vier Bedingunge­n, darunter etwa eine ganzjährig­e Not- schlafstel­le, um der Verordnung zuzustimme­n.

Derzeit gibt es in Innsbruck eine Winternots­chlafstell­e mit 35 Plätzen. Das Land Tirol richtet bis Mitte November im Stadtteil Arzl eine weitere mit 40 Plätzen in einem ehemaligen Asylquarti­er ein, von der die Anrainer aber bisher nichts wissen, was zu Verzögerun­gen führen könnte. Streetwork­er zählten im Sommer 294 Wohnungslo­se und 223 „in prekärsten Wohnverhäl­tnissen“. pderStanda­rd. at/Panorama

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Wohnungslo­se sollen „zu ihrem eigenen Schutz“nicht mehr in Innsbrucks Innenstadt nächtigen dürfen.

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