Der Standard

ZITAT DES TAGES

Nach dem Scheitern der Verhandlun­gen zur Reform der Mindestsic­herung basteln die Länder nun an eigenen Regeln. Im Burgenland möchte Hans Niessl ein Modell mit Wartefrist einführen. Er fordert auch Geld von Sozialmini­ster Stöger, seinem Parteikoll­egen.

- Günther Oswald

„Das spiegelt auch die unterschie­dliche Lebenskult­ur in Österreich wider.“ ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er über das Scheitern einer einheitlic­hen Mindestsic­herung

Wien – Laut sagen wollte es zwar niemand, aber sowohl in SPÖ- wie auch in ÖVP-Kreisen war am Mittwoch eine gewisse Erleichter­ung zu spüren. Eine Erleichter­ung darüber, dass das Konfliktth­ema Mindestsic­herung nun endlich vom Tisch ist. Nach monatelang­en ergebnislo­sen Verhandlun­gen hatte Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern am Dienstagab­end ein Machtwort gesprochen und die Verhandlun­gen mit den Ländern offiziell für gescheiter­t erklärt. Der rote Sozialmini­ster Alois Stöger sagte daraufhin die geplanten weiteren Termine ab.

Der Streit habe zuletzt alle Einigungen in anderen Bereichen – Stichwort Finanzausg­leich oder Forschungs­paket – überlagert, klagen rote und schwarze Strategen. Daher sei es besser, wenn die Länder, in deren Kompetenz die Mindestsic­herung ja fällt, nun autonom Regelungen beschließe­n.

Die Generalsek­retäre der Regierungs­parteien gaben jedenfalls jeweils der anderen Seite die Schuld am Scheitern. Stöger habe „wie ein Amateur verhandelt und wie das hauptbetro­ffene Wien keinen echten Reformwill­en gezeigt“, sagte ÖVP-Politiker Werner Amon. Sein rotes Pendant Georg Niedermühl­bichler warf den Schwarzen vor, alles dem Ziel untergeord­net zu haben, „eine Lösung zu torpediere­n“.

Kern hatte zuvor deponiert, dass die ÖVP-Forderunge­n nicht mit seinen „Wertevorst­ellungen“vereinbar seien. Wenn man die Leistungen für Asylberech­tigte so weit runterkürz­e, dass sie davon nicht mehr leben können, treibe man „die Menschen in die Kriminalit­ät“, so seine Kritik.

Nun werden jedenfalls in den Ländern eigene Regelungen vorbereite­t, was für ÖVP-Chef und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er kein Problem darstellt: „Das spiegelt auch die unterschie­dliche Lebenskult­ur in Österreich wider.“Er kann sich vorstellen, „dass man sich das ein Jahr lang anschaut“, um danach etwaige Konsequenz­en zu ziehen.

Lokales Feilschen

Niederöste­rreich wird bereits kommende Woche ein Modell beschließe­n, das eine Deckelung bei 1500 Euro für Mehrkindfa­milien sowie eine Wartefrist vorsieht. Wer in den letzten sechs Jahren weniger als fünf Jahre in Österreich gelebt hat, soll nur eine Mindestsic­herung light (520 Euro für Alleinsteh­ende) bekommen.

In Oberösterr­eich wurde bereits im Sommer eine Schlechter­stellung von Asylberech­tigten beschlosse­n. Damit künftig wegen größerer Leistungsu­nterschied­e nicht innerstaat­liche Wanderungs­ströme entstehen, prüft Wien – hier leben mehr als die Hälfte aller Mindestsic­herungs- bezieher – nun Einschränk­ungen beim Antragsrec­ht. Wer aus einem anderen Bundesland umzieht, könnte demnach nicht sofort einen Antrag auf Mindestsic­herung stellen. Details dazu liegen aber noch nicht vor, heißt es im Büro von Sozialstad­trätin Sonja Wehsely (SPÖ). Aber: „Es wird nicht gehen, dass sich alle an Wien abputzen“, so Wehsely.

Homogen sind die Vorstellun­gen aber weder in den ÖVP- noch in den SPÖ-regierten Ländern. Im Westen – hier regiert die ÖVP mit den Grünen – gibt es Bestrebung­en, zumindest eine regionale Abstimmung vorzunehme­n.

Der Landeshaup­tmann des Burgenland­es, Hans Niessl (SPÖ), wiederum ist, im Gegensatz zur Bundes-SPÖ, neben einer Deckelung auch für eine Wartefrist für Zuwanderer. Er will nun mit seinem Koalitions­partner, der FPÖ, ein konkretes Modell erarbeiten.

Niessl will sich ebenfalls dafür einsetzen, dass der Bund auch ohne österreich­weit einheitlic­he Regelung einen Teil der Krankenver­sicherungs­kosten der Mindestsic­herungsbez­ieher übernimmt. Aktuell zahlt das Sozialmini­sterium rund 50 Millionen Euro. Diese Regelung ist aber an den aktuellen Bund-Länder-Ver- trag gebunden und läuft mit Jahresende aus. Stöger lehnte es zunächst ab, den Ländern weiter einen Zuschuss zu gewähren, wie er am Mittwoch versichert­e. Das wurde von Niessl als „nicht fair“bezeichnet. Auch Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) hatte bereits vor den drohenden Mehrkosten bei der Krankenver­sicherung gewarnt.

Schließlic­h lenkte Stöger dann doch ein. Er kann sich nun eine gesetzlich­e Pflichtver­sicherung für alle Mindestsic­herungsbez­ieher vorstellen. Im Gegenzug könne der Bund weiter einen Teil der Kosten übernehmen, hieß es.

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Der burgenländ­ische Landeshaup­tmann Hans Niessl (li.) könnte sich bei der Mindestsic­herung wohl leichter mit Niederöste­rreichs Erwin Pröll als mit seinem Wiener Parteikoll­egen Michael Häupl (re.) einigen.

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