Der Standard

Trump und Österreich

Die Österreich­er würden einen wie Donald Trump niemals wählen – oder? Die Tiraden des neuen US-Präsidente­n und der FPÖ klingen wie voneinande­r abgekupfer­t. Hüben wie drüben sind Abstiegsän­gste der Nährboden.

- Gerald John

Die FPÖ feiert den Sieger wie einen der ihren: „Herzlich“gratuliert Heinz-Christian Strache per Facebook Donald Trump. Die Wähler hätten das „abgehobene, verfilzte Establishm­ent“abgestraft und die „Mainstream­medien“blamiert: „Manche österreich­ische Journalist­en haben derzeit Schnappatm­ung.“

Die Sätze klingen, vom Lokalkolor­it abgesehen, wie voneinan- der abgekupfer­t: Der FPÖ-Chef und der US-Milliardär sind nicht erst seit gestern Brüder im Geiste. „Bevormundu­ng“durch gekaufte Medien, Gängelung durch ein korruptes System, „geistige Zensur“durch Political Correctnes­s und natürlich der Ansturm „kulturfrem­der Arbeitsmig­ranten“, die das „Volk“an den Rand drängten: Wer unlängst Straches „Rede an die Nation“lauschte, bekam die gleichen Bedrohungs­szenarien serviert wie Trumps Publikum.

Hüben wie drüben entspreche die Opferrolle einer breiten Stimmungsl­age, sagt Wahlforsch­er Günther Ogris vom Sora-Institut: „Wähler der FPÖ haben die gleichen Abstiegsän­gste wie Trumps Anhänger.“Laut einer Befragung zur Präsidente­nwahl befürchten mehr als zwei Drittel der Wähler Norbert Hofers, dass sich sowohl die persönlich­e als auch allgemeine Lebensqual­ität im Land verschlech­tern werde; im Elektorat Alexander Van der Bellens ist die Quote nicht einmal halb so hoch.

Von den vermeintli­ch Abgehängte­n war so mancher tatsächlic­h schon von der (gestiegene­n) Arbeitslos­igkeit betroffen, sagt der Demoskop, doch vielfach sei der Abstieg erst einmal gefühlt: Laut einer Sora-Umfrage für das „Generation What“-Projekt des ORF glauben 55 Prozent der 15- bis 35- Jährigen, dass es ihren Kindern einmal schlechter ergehen werde als ihnen selbst – wobei viele davon naturgemäß noch gar keinen Nachwuchs haben. Wer diesem „Zukunftspe­ssimismus“erliege, der reagiere – wie Ogris im Jargon des Sozialwiss­enschafter­s sagt – mit „nationalis­tischer Abgrenzung“und „Abwertungs­tendenzen gegenüber Minderheit­en“.

Zu den ökonomisch­en Sorgen der Angry White Men – sowohl die FPÖ als auch Trump sind bei den Männern stärker – geselle sich Angst vor dem Verlust der kulturelle­n Identität, ergänzt Thomas Hofer. Als Beobachter vor Ort hat der Politikber­ater die – wenn man so wolle – „österreich­ischste USKampagne seit Arnold Schwarzene­gger“erlebt: Entgegen der von amerikanis­chen Politikern üblicherwe­ise zelebriert­en Zuversicht habe Trump kulturpess­imistische Botschafte­n von einem auf dem Boden liegenden Land verbreitet.

„Die Globalisie­rung hat die Finanzelit­e sehr, sehr wohlhabend gemacht – aber sie hat Millionen Arbeiter in Armut und mit Kopfweh zurückgela­ssen“: Dieser Aussage Trumps etwa stimmt laut Umfrage des Market-Instituts die Mehrheit der Österreich­er zu. Doch wenn es so viele Parallelen gibt: Warum hätte Hillary Clinton hierzuland­e, wie Befragunge­n ebenso zeigen, glatt gewonnen? Die Österreich­er hätten via Medien nur den „hässlichen Trump“erlebt, sagt Ogris, „den Sexisten, den Milliardär, den Wahnsinnig­en“: Wären programmat­ische Ansagen, von der Kritik am Freihandel bis zum Ruf nach Reindustri­alisierung, stärker durchgedru­ngen, „hätte das Ergebnis anders ausgesehen“.

 ??  ?? Angry White Men sind nicht nur in den USA in Jubelstimm­ung: „Das abgehobene, verfilzte Establishm­ent wird Zug um Zug vom Wähler abgestraft“, schreibt FPÖ-Chef Strache.
Angry White Men sind nicht nur in den USA in Jubelstimm­ung: „Das abgehobene, verfilzte Establishm­ent wird Zug um Zug vom Wähler abgestraft“, schreibt FPÖ-Chef Strache.

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