Investitionen gegen die Dauerkrise in Euroland
Die USA haben es vorgemacht: Expansive Geldpolitik kombiniert mit Infrastrukturinvestitionen würde laut einer Studie Konjunktur und Jobmarkt in der Eurozone wieder zum Laufen bringen – zum Preis höherer Defizite.
Wien – Wenig Wachstum, kaum Inflation und eine nach wie vor sehr hohe Arbeitslosigkeit – die Eurozone hat seit der Finanzkrise gegenüber den Vereinigten Staaten und Großbritannien den Anschluss verloren. Während die Entwicklung die inflationsbereinigte Wirtschaftsleistung in den USA auf fast zehn und auf der Insel auf mehr als sieben Prozent über dem Ausgangsniveau des Jahres 2007 geführt hat, kommt die Eurozone nicht einmal auf einen einprozentigen Zuwachs.
Europas Börsen abgeschlagen
Für Investoren ist vor allem von Interesse, dass auch die Aktienmärkte eine ähnliche Entwicklung genommen haben. Der Dow Jones liegt auf Rekordniveau und damit rund ein Drittel über dem Hoch des Jahres 2007, und der britische FTSE-100 notiert ungefähr auf dem Vorkrisenhöchstwert. Dem Euro- stoxx-50, Leitindex der Währungsunion, fehlt hingegen noch immer ein Drittel auf das Kurshoch des Jahres 2007.
Woran das konjunkturelle Hinterherhinken liegt, hat eine von der Arbeiterkammer in Auftrag gegebene Studie ermittelt – nämlich an hausgemachten Fehlentschei- dungen. Neben einer zu zögerlichen geldpolitischen Lockerung seitens der EZB hat Studienautor Philipp Heimberger vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche eine Hauptursache ausgemacht: die Folgen der Sparpolitik in der Eurozone. „Im Jahr 2011 war die wirtschaftliche Erholung noch lange nicht abgeschlossen“, sagt Heimberger. „Die Austeritätspolitik war der entscheidende Faktor für die zweite Rezession in der Eurozone.“
Folglich fordert der Ökonom auch von der Fiskalpolitik jenen radikalen Schwenk, wie ihn die EZB zuletzt mit Nullzinsen und Anleihenkäufen bereits vollzogen hat. „Ich glaube, dass ein Push in der Eurozone dringend notwendig ist“, sagt Heimberger. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, allen voran wegen der hohen Arbeitslosigkeit von knapp über zehn Prozent, würden dies erfordern. Zudem sei die Gelegenheit angesichts der tiefen Zinsen günstig, um ein schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm zu lancieren. „Wann sollen Staaten investieren, wenn nicht jetzt?“
Letztlich geht es Heimberger um die Stärkung der Binennnachfrage im gemeinsamen Wirtschaftsraum, also darum, Arbeitsplätze zu schaffen und die Reallöhne zu erhöhen. Auch in diesem Bereich haben die USA aus seiner Sicht Vorbildwirkung: War die Arbeitslosigkeit 2009 noch gleich hoch wie in der Eurozone, so liegt sie derzeit mit knapp fünf Prozent bei weniger als der Hälfte.
Als probates Mittel zur Belebung von Konjunktur und Arbeitsmarkt sieht der Ökonom Investitionen in Infrastruktur, Schulen, Krankenhäuser oder in die Energieeffizienz. „Das würde Vermögenswerte schaffen, von denen noch nachfolgende Generationen profitieren können.“Ihm schwebt ein Volumen von rund drei Prozent der Wirtschaftsleistung vor. Damit könne man binnen zweier Jahre Verbesserungen am Arbeitsmarkt erzielen.
Anleihenkäufe beibehalten
Gleichzeitig soll auch die EZB ihre derzeitige Geldpolitik weiterfahren, sprich den Leitzins auf null belassen und auch das Anleihenkaufprogramm von 80 Milliarden Euro monatlich, das derzeit bis März kommenden Jahres befristet ist, fortsetzen. Eine Ausweitung der EZB-Käufe auf Aktien hält Heimberger jedoch nicht für zweckmäßig: Er befürchtet, „dass dies zu unerwünschten Verzerrungen an den Aktienmärkten führt, während es höchst unsicher ist, ob die weiter steigenden Vermögenspreise überhaupt positive realwirtschaftliche Effekte nach sich ziehen“. Expansive Geldpolitik sollte nicht primär Anlegerinteressen dienen, sondern die langfristigen Zinsen senken.
Mit Blick auf die US-Notenbank Fed, deren Politik bereits wieder auf Anhebungen des Leitzinses abzielt, meint Heimberger: „Wenn man weiter in der wirtschaftlichen Erholung vorangeschritten ist, kann man die Geldpolitik auch wieder normalisieren.“