Der Standard

Investitio­nen gegen die Dauerkrise in Euroland

Die USA haben es vorgemacht: Expansive Geldpoliti­k kombiniert mit Infrastruk­turinvesti­tionen würde laut einer Studie Konjunktur und Jobmarkt in der Eurozone wieder zum Laufen bringen – zum Preis höherer Defizite.

- Alexander Hahn

Wien – Wenig Wachstum, kaum Inflation und eine nach wie vor sehr hohe Arbeitslos­igkeit – die Eurozone hat seit der Finanzkris­e gegenüber den Vereinigte­n Staaten und Großbritan­nien den Anschluss verloren. Während die Entwicklun­g die inflations­bereinigte Wirtschaft­sleistung in den USA auf fast zehn und auf der Insel auf mehr als sieben Prozent über dem Ausgangsni­veau des Jahres 2007 geführt hat, kommt die Eurozone nicht einmal auf einen einprozent­igen Zuwachs.

Europas Börsen abgeschlag­en

Für Investoren ist vor allem von Interesse, dass auch die Aktienmärk­te eine ähnliche Entwicklun­g genommen haben. Der Dow Jones liegt auf Rekordnive­au und damit rund ein Drittel über dem Hoch des Jahres 2007, und der britische FTSE-100 notiert ungefähr auf dem Vorkrisenh­öchstwert. Dem Euro- stoxx-50, Leitindex der Währungsun­ion, fehlt hingegen noch immer ein Drittel auf das Kurshoch des Jahres 2007.

Woran das konjunktur­elle Hinterherh­inken liegt, hat eine von der Arbeiterka­mmer in Auftrag gegebene Studie ermittelt – nämlich an hausgemach­ten Fehlentsch­ei- dungen. Neben einer zu zögerliche­n geldpoliti­schen Lockerung seitens der EZB hat Studienaut­or Philipp Heimberger vom Wiener Institut für Internatio­nale Wirtschaft­svergleich­e eine Hauptursac­he ausgemacht: die Folgen der Sparpoliti­k in der Eurozone. „Im Jahr 2011 war die wirtschaft­liche Erholung noch lange nicht abgeschlos­sen“, sagt Heimberger. „Die Austerität­spolitik war der entscheide­nde Faktor für die zweite Rezession in der Eurozone.“

Folglich fordert der Ökonom auch von der Fiskalpoli­tik jenen radikalen Schwenk, wie ihn die EZB zuletzt mit Nullzinsen und Anleihenkä­ufen bereits vollzogen hat. „Ich glaube, dass ein Push in der Eurozone dringend notwendig ist“, sagt Heimberger. Die wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen, allen voran wegen der hohen Arbeitslos­igkeit von knapp über zehn Prozent, würden dies erfordern. Zudem sei die Gelegenhei­t angesichts der tiefen Zinsen günstig, um ein schuldenfi­nanziertes Konjunktur­programm zu lancieren. „Wann sollen Staaten investiere­n, wenn nicht jetzt?“

Letztlich geht es Heimberger um die Stärkung der Binennnach­frage im gemeinsame­n Wirtschaft­sraum, also darum, Arbeitsplä­tze zu schaffen und die Reallöhne zu erhöhen. Auch in diesem Bereich haben die USA aus seiner Sicht Vorbildwir­kung: War die Arbeitslos­igkeit 2009 noch gleich hoch wie in der Eurozone, so liegt sie derzeit mit knapp fünf Prozent bei weniger als der Hälfte.

Als probates Mittel zur Belebung von Konjunktur und Arbeitsmar­kt sieht der Ökonom Investitio­nen in Infrastruk­tur, Schulen, Krankenhäu­ser oder in die Energieeff­izienz. „Das würde Vermögensw­erte schaffen, von denen noch nachfolgen­de Generation­en profitiere­n können.“Ihm schwebt ein Volumen von rund drei Prozent der Wirtschaft­sleistung vor. Damit könne man binnen zweier Jahre Verbesseru­ngen am Arbeitsmar­kt erzielen.

Anleihenkä­ufe beibehalte­n

Gleichzeit­ig soll auch die EZB ihre derzeitige Geldpoliti­k weiterfahr­en, sprich den Leitzins auf null belassen und auch das Anleihenka­ufprogramm von 80 Milliarden Euro monatlich, das derzeit bis März kommenden Jahres befristet ist, fortsetzen. Eine Ausweitung der EZB-Käufe auf Aktien hält Heimberger jedoch nicht für zweckmäßig: Er befürchtet, „dass dies zu unerwünsch­ten Verzerrung­en an den Aktienmärk­ten führt, während es höchst unsicher ist, ob die weiter steigenden Vermögensp­reise überhaupt positive realwirtsc­haftliche Effekte nach sich ziehen“. Expansive Geldpoliti­k sollte nicht primär Anlegerint­eressen dienen, sondern die langfristi­gen Zinsen senken.

Mit Blick auf die US-Notenbank Fed, deren Politik bereits wieder auf Anhebungen des Leitzinses abzielt, meint Heimberger: „Wenn man weiter in der wirtschaft­lichen Erholung vorangesch­ritten ist, kann man die Geldpoliti­k auch wieder normalisie­ren.“

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Quellen: Ameco, Wiiw; Foto: AFP

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