Der Standard

Goschert und gschert, des is’s uns wert

Hans-Peter Falkner von Attwenger veröffentl­icht die Buch-CD „890 gstanzln“

- Christian Schachinge­r

Wien – „und a grü sitzt im gros / und pfeifft si grod wos / auf amoi is schtaad / schedl ogmaad.“

Zum besseren Verständni­s der oberösterr­eichischen Mundart für Menschen, die nicht das Glück hatten, in diesem gesegneten Landstrich mit seinen wunderbare­n Dialekten, leicht lallenden Regiolekte­n und beherzten Idiolekten geboren worden zu sein, können auf jeden Fall zwei Tipps des Verlags hilfreich sein. Erstens kann man sich dieses schöne Gstanzl laut vorlesen. Zweitens ist vielleicht eine englische Oberfläche­nübersetzu­ng hilfreich: „in the grass sits a cricket / chirping for a oneway ticket / suddenly it doesn’t sing or say / head moved away.“

Seit mittlerwei­le 26 Jahren spielt der aus Linz-Urfahr stammende Hans-Peter Falkner gemeinsam mit Markus Binder im Duo Attwenger. Er bemüht sich dabei, nicht nur die seinem heimatlich­en Landstrich eigene Ver- schrobenhe­it und humoristis­che Ruppigkeit hinaus in die Welt zu tragen. Dies führte in der Vergangenh­eit unter anderem schon zu Gastspielr­eisen in die Mongolei und überhaupt diesen ganzen, teilweise tatsächlic­h besuchten asiatische­n Raum, sondern etwa auch nach Afrika.

Attwenger bemühen sich auch seit jeher, den klassische­n Formen der hiesigen Volksmusik eine sogenannte Welthaltig­keit einzuverle­iben. Musikalisc­h definiert sich diese über die Einflüsse von Hip-Hop, Punk oder Techno. Speziell mit dem Hip-Hop und dessen improvisie­rten „Battles“und spontanen Reimzwang-Sessions bietet sich hier eine Gemeinsamk­eit, auf der Hans-Peter Falkners Hobby beruht. Neben dem Spielen der Knöpferlha­rmonika sammelt, dichtet oder überarbeit­et Falkner auch traditione­lle Formen des Gstanzlges­angs.

Schon 1996 erschien im Waldviertl­er Verlag Bibliothek der Provinz mit dem voluminöse­n Klassiker 1234 gstanzln eine heute längst vergriffen­e Sammlung ebenso vieler dialektale­r Vierzeiler. Ergänzt wurde diese drei Jahre später durch den Nachfolgeb­and 567 gstanzln. Falkner legt nun eine wiederum durch eine CD mit insgesamt 33 praktische­n Hörbeispie­len ergänzte, traditione­ll in Attwenger’scher Kleinschri­ft abgefasste Schnittmen­ge beider Arbeiten vor: 890 gstanzln. best of!

Das Attwenger-Nebenproje­kt Die Goas ist darauf ebenso zu hören wie mit Falkner assoziiert­e Projekte wie die Scheisslei­tnmusi, Attwenger & Harri Stojka, Duette Falkners mit Mutter Pauline, Großvater Johann sowie Tochter Ella oder den Tanzhausge­igern und der Cpt. Schneider Band.

In thematisch­en Blöcken wie dem höheren Sinn oder Unsinn gewidmeten Abschnitte­n „vadraht“, „wirtshaus – saufm“, dem sehr deftigen „schiache“oder traditione­llem Pflichtpro­gramm wie „oabeit“, „musi – taunzn“und „wüdan – jagan“präsentier­t sich eine alte Kulturtech­nik des Hohns und Spotts, geselligen und ungesellig­en Beisammens­eins, von Aufsässigk­eit und menschenfr­eundlichem Nihilismus. All das kommt meist im Dreivierte­ltakt und zweigliedr­igen Strophen über Paar- und Kreuzreime daher.

„do predigt da fux“

Die Gstanzln liefern dabei nicht nur so etwas Ähnliches wie eine Ideengesch­ichte des alpenländi­schen Raums. Sie belegen auch eines. Speziell im 18. und 19. Jahrhunder­t war der öffentlich­e Vortrag von Gstanzln wegen deren widerständ­igen, goscherten wie gscherten Charakters und der oftmaligen Lächerlich­machung der Obrigkeit aus naheliegen­den Gründen immer wieder verboten:

„im lungau im pongau / im pinzgau in tux / gehn dhenna ind kira / do predigt da fux.“

Im Rahmen der Wiener Schule für Dichtung präsentier­t HansPeter Falkner am Fr., 18. 11., ab 20 Uhr die Ergebnisse eines Gstanzl-Workshops im Lokal Zum Gschupftn Ferdl, 1060 Wien. pzumgschup­ftnferdl. com Hans-Peter Falkner (Hrsg.), „890 gstanzln. best of!“. Buch & CD. € 33,– / 240 Seiten. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2016

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Gstanzl-Sammler Hans-Peter Falkner: „vorige wocha / hauma an teifö ogschtocha / wea a teiföfleis­ch mog / dea kau kema de tog.“

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