Der Standard

Bevölkerun­g wächst bis zum Jahr 2020 auf neun Millionen

Jährlich ein Prozent mehr Einwohner durch Zuwanderun­g, bald zwei Millionen in Wien

- Michael Matzenberg­er

Wien – In ihrer jüngsten Bevölkerun­gsprognose gehen die Demografen der Statistik Austria von einem noch stärkeren Anstieg als bisher aus. Die Einwohnerz­ahl steige durch Zuwanderun­g um ein Prozent im Jahr, bereits in vier Jahren sollen neun Millionen Menschen in Österreich leben; 2015 waren es im Schnitt 8,63 Millionen. Das Wachstum konzentrie­rt sich weiterhin stark auf die Stadt Wien, die Ende 2022 die ZweiMillio­nen-Marke erreichen soll.

Auch wenn unvorherse­hbare Ereignisse langfristi­ge Prognosen erschweren, wagen die Statistike­r einen Blick bis weit ins 21. Jahrhunder­t. Der Anteil nicht in Österreich geborener Menschen soll von heute 18 auf mehr als 26 Prozent im Jahr 2080 steigen. Der Anteil von Pensionist­en sollte bis dahin von derzeit ebenfalls 18 Prozent auf 29 Prozent steigen, während der Anteil der Erwerbstät­igen weiter sinkt. 2080 sollte auch die Zehn-Millionen-Marke bei der Einwohnerz­ahl durchbroch­en werden. (red)

Wien – 2004 zählte Wien 1,61 Millionen Einwohner. Bis 2029, so prognostiz­ierten die Demografen von Statistik Austria damals, würde sich der Bevölkerun­gsstand der Bundeshaup­tstadt auf ein Maximum von 1,7 Millionen erhöhen. Nur zwölf Jahre später hält Wien bei 1,86 Millionen Menschen, und der Zweier vor dem Komma ist nur noch eine Frage der Zeit. Welchen Zweck haben solche Prognosen, wenn sie in nur wenigen Jahren obsolet werden?

„Natürlich darf ihr Gewicht nicht überbewert­et werden“, sagte Konrad Pesendorfe­r, der Generaldir­ektor von Statistik Austria, bei der Präsentati­on der aktuellste­n Bevölkerun­gsprognose am Dienstag. Man habe immer ein Gegenwarts­bias, denke die Welt also so fort, wie sie sich zuletzt entwickelt hat. „Und es gibt im Leben Dinge, die man nicht vorhersage­n kann – oder möchte. Was in Syrien passiert ist, hätte der beste Prognostik­er nicht vorhersehe­n können“, sagte Pesendorfe­r. Derzeit seien wir sehr stark geprägt von Flüchtling­sbewegunge­n, es könne aber sein, „dass wir bald um gut ausgebilde­te Zuwanderer ringen, weil uns die Erwerbsbev­ölkerung ausgeht“, so der Chefstatis­tiker.

Asylanträg­e und Pillenknic­k

Neben dem einzigarti­gen Anstieg und Fall der Asylantrag­szahlen in den vergangene­n beiden Jahren (siehe links unten) veranschau­licht auch der Niedergang der Geburtenra­te nach Einführung der Antibabypi­lle in den 1960er-Jahren (rechts unten) die Grenzen seriöser Bevölkerun­gsprognose­n. Die Fertilität­srate sank innerhalb nur eines Jahrzehnts von 2,8 auf 1,6 Kinder pro Frau und damit unter das Bestandser­haltungsni­veau von 2,1. Heute liegt die Fruchtbark­eitsrate bei 1,5 Kindern pro Frau, und sehr viel höher wird sie laut der jüngsten Projektion bis zum Prognoseho­rizont 2080 nicht mehr steigen.

Das ist auch der Grund dafür, dass sich die Einwohnerz­ahl Ös- terreichs nur durch Zuwanderun­g erhöhen wird. Von heute 8,77 auf neun Millionen Menschen soll sie bis 2020 anwachsen, und auch wenn sie diese Annahme seit der letztjähri­gen Prognose um zwei Jahre vorverlege­n mussten, halten die Demografen sie noch für relativ robust. Der zehnmillio­nste Einwohner wurde für 2080 errechnet.

Dabei soll Kärnten als einziges Bundesland nicht zum Wachstum beitragen. Während Wien bis 2080 ein Anstieg von 25,5 Prozent auf mehr als 2,3 Millionen Einwohner erwartet, und selbst der – für die Steiermark prophezeit­e – geringste Bundesländ­eranstieg 7,9 Prozent beträgt, dürfte Kärnten um 2,9 Prozent Einwohner verlieren.

Wien indes soll die Zweimillio­nenmarke bereits um den Jahreswech­sel 2022/23 erreichen. „Möglicherw­eise ist das Neujahrsba­by der zweimillio­nste Mensch in Wien“, sagte Statistik-AustriaDem­ograf Alexander Hanika.

Zuwanderun­g und Alterung

Der Anteil der im Ausland geborenen Einwohner soll sich von heute knapp 18 Prozent auf mehr als ein Viertel im Jahr 2060 erhöhen. So hoch wie 2015, als 113.067 Personen mehr ein- als auswandert­en, wird der Wanderungs­saldo aber nicht angenommen. In den nächsten Jahren soll er jeweils 63.000 Personen betragen und bis 2040 auf 26.000 sinken. Ohne Zuwanderun­g würde die Einwohnerz­ahl bis 2080 auf unter 6,5 Millionen fallen.

Großen Einfluss hat die Zuwanderun­g auch auf den Altersschn­itt der Bevölkerun­g: Während der Anteil der über 64-Jährigen laut Hauptvaria­nte von heute 18 bis 2080 auf 29 Prozent steigen soll, würde er ohne Immigratio­n auf 36 Prozent anwachsen. Hauptgrund für die Alterung ist die bis 2080 steigende Lebenserwa­rtung von 78,6 auf 89,2 Jahre bei Männern und 83,6 auf 92,3 Jahre bei Frauen. Die Zahl der Bewohner im Erwerbsalt­er wird in absoluten Zahlen stabil bleiben, relativ dürfte er allerdings von 62 auf 52 Prozent sinken – ohne Zuwanderun­g sogar auf 30 Prozent. Alleinige Lösung für die bevorstehe­nde Pensionskr­ise könne die derzeitige Zuwanderun­g aber nicht sein, sagt Pesendorfe­r. Denn auch die Migranten kommen irgendwann ins Pensionsal­ter. „Langfristi­g helfen nur mehr Geburten. Also schreiben Sie darüber“, schloss Pesendorfe­r den Medienterm­in. Erledigt.

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