Der Standard

Wurst zipfel religions stunde

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Natürlich ist es Schwachsin­n, wenn man interessie­rten jungen muslimisch­en Menschen den Weg in gastronomi­sche Berufe verbaut, indem man von ihnen verlangt, dass sie Schweinefl­eisch kosten müssen – diese Diskussion gab es ja vor kurzem. Aber es ist ebenfalls nicht amüsant, wenn man als Kundin einer Verkäuferi­n eine Frage bezüglich eines Schweinefl­eischprodu­kts stellt und daraufhin Empörung – und tiefe Verachtung – erntet: Das könne sie nicht wissen, sie sei Muslimin und würde so etwas nie essen. Bäääh, grauslich. Man hatte sie übrigens nicht nach dem Geschmack gefragt, sondern nach der Art der Herstellun­g.

Wahrschein­lich gibt es ja auch Austernver­käufer, die ihren Kunden ins Gesicht sa- gen, dass sie alle, die dieses schlatzige Zeug fressen, für Saubarteln halten. Aber wenn Religion ins Spiel kommt, ist das Ganze eben doch ein wenig unangenehm­er.

Geschenkt, dass diese Verkäuferi­n ein Einzelfall ist. Und der Gedanke, dass Gott im Himmel auf einem goldenen Thron sitzt und tatsächlic­h von oben überwacht, wer sich über welchen Wurstzipfe­l hermacht, ist nichts typisch Islamische­s.

Was für ein Wurstzipfe­l erlaubt oder verboten ist, hat sich in einer bestimmten Zeit unter bestimmten Umständen entwickelt – die, zum Beispiel, den Verzehr von Schweinefl­eisch eben nicht favorisier­ten. Darauf braucht man nicht stolz zu sein. Und auf das Gegenteil auch nicht.

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