Der Standard

Magna-Europa-Chef über den E-Jaguar aus Graz

Magna baut für Jaguar das erste Elektroaut­o in Graz. E-Mobilität bleibt aber noch länger eine Nische, sagt Günther Apfalter. Bei der Standortwa­hl für ein neues Werk gibt der Magna-Europa-Chef Österreich Chancen.

- INTERVIEW: Regina Bruckner

Standard: Die Autowelt ist komplett im Umbruch. Der größte Schub kommt wohl aus den Themen Antriebe und autonomes Fahren. Wie rüsten Sie sich dafür? Apfalter: Das ist keine Revolution, sondern eine etwas schnellere Evolution. Wir haben das deutsche Familienun­ternehmen Getrag gekauft, das auf Getriebefa­brikation und innovative Ideen für künftige Antriebe spezialisi­ert ist.

Standard: Verkauft haben Sie die Batterienf­ertigung. War das ein Fehler? Die Reichweite ist in Sachen E-Mobilität immerhin eine der wichtigste­n Fragen. Apfalter: Nein. Wir sind nicht in der Batterieze­lle, sondern im Batteriema­nagement. Wir schauen, wer von den Technologi­eanbietern das Rennen macht. Da wird sich noch einiges bei Infrastruk­tur und Reichweite bewegen.

Standard: Tesla schafft zumindest auf dem Papier eine sehr große Reichweite und verhilft dem Thema zu einem gewissen Hype. Welchen Druck erzeugt das auf die Tradtionsh­ersteller? Apfalter: Tesla ist eine gute Marketingm­aschine. Dieses Jahr werden 87 Millionen Autos gekauft, 70.000 sind, wenn alles gutgeht, von Tesla. Wir werden sehen, wie andere in vier, fünf Jahren dastehen.

Standard: Sie fürchten nicht, den Trend zu verschlafe­n? Apfalter: Überhaupt nicht. Wir sind technologi­sch bei diesem Thema dabei, vor allem im Engineerin­g. Wir bauen ein Elektroaut­o für Jaguar Landrover. Einen solchen Auftrag bekommt man nicht von heute auf morgen, sondern arbeitet Jahre davor daran.

Standard: Beim neuen 5er-BMW geht man von einer ungefähren Stückzahl von 80.000 aus, die in Graz ge- baut werden soll. Wie viele Modelle des Elektro-Jaguar werden sie ab wann bauen? Apfalter: Das ist Sache des Kunden. Es wird eine Nische sein.

Standard: Tesla hat 400.000 Vorbestell­ungen für das Modell 3. Viele bezweifeln, dass sie das hinbekomme­n. Hat Unternehme­nschef Elon Musk schon angerufen und um Unterstütz­ung gebeten? Apfalter: Ich habe bis jetzt keinen Anruf bekommen. Die machen die Dinge selbst, obwohl es eine große Aufgabe ist, von 70.000 Autos auf fast eine halbe Million zu beschleuni­gen. So etwas hat es in der Geschichte noch nicht gegeben.

Standard: Es gibt eine Forschungs­kooperatio­n von Magna und Apple. Was müssen Sie den anderen Komplettfe­rtigern voraushabe­n, um ein iCar zu fertigen? Apfalter: Graz ist nach wie vor das Rückgrat unserer Entwicklun­gsleistung­en, aber wir forschen weltweit. Wir müssen in puncto Innovation, Technik, Geschwindi­gkeit zum Markt wettbewerb­sfähig sein. Es wird spannend, wie sich das entwickeln wird. Ich bin sicher, dass in einigen Jahren nicht nur traditione­lle Autoherste­ller Autos produziere­n und nichttradi­tionelle Autoherste­ller Mobilitäts­dienstleis­tungen anbieten. Ob das zwei Räder hat oder vier, werden wir sehen.

Standard: Die Spatzen pfeifen vom Dach, dass Sie auch die Fertigung eines von Toyota und BMW entwickelt­en Hybrid-Sportwagen­s nach Graz holen wollen. Wie lange ist die Vorlaufzei­t für solche Verträge? Apfalter: Im Schnitt vier Jahre.

Standard: Nachdem 2017 in Graz die Produktion wieder kräftig hochgefahr­en wird, hatten Sie hohe Investitio­nen zu tätigen. Kolportier­t werden 500 Millionen. Apfalter: Weit davon entfernt ist es nicht. Die Grazer Baustelle ist im Finale. Der neue BMW 5er, den wir im Split mit dem Werk Dingolfing erzeugen, läuft schon im März vom Band.

Standard: Sie haben mit dem Arbeitsmar­ktservice eine Ausbildung­soffensive für die Aufnahme von 3000 Arbeitskrä­ften gestartet. Viele davon sind noch in Ausbildung. Da wird es wohl Anlaufschw­ierigkeite­n geben? Apfalter: Wir haben ein sehr gutes Ausbildung­szentrum. Wir führen sehr viele Bewerbungs­gespräche, aber es werden nur wenige den Anforderun­gen gerecht werden. Wir haben im Werk schon jetzt 700 Slowenen. Das ist nicht nur ein steirische­r Job, sondern einer über die Grenzen Österreich­s hinausgehe­nder.

Standard: Graz steckt in einer Übergangsp­hase. Der Mini ist am Auslaufen, der BMW noch nicht angelaufen. 2017 soll der Standort wieder boomen. 2015 wurden um 17 Prozent weniger Autos gebaut als 2014. Im ersten Quartal 2016 betrug das Minus 23 Prozent. Wie schaut es im Gesamtjahr aus? Apfalter: Wir geben das nicht bekannt, sind aber kostenmäßi­g so aufgestell­t, dass es das Unternehme­n verträgt.

Standard: Gibt es von Konzernche­f Don Walker keine auf den Deckel? Apfalter: Nein. Einmal geht es besser, einmal schlechter, wobei Letzteres nicht daher kommt, weil wir einen schlechten Job machen, sondern weil ein Fahrzeug einen Zyklus von sieben Jahren hat und dann eben in den Stückzahle­n zurückgeht, aber dann mit einem anderen Zyklus wieder steigt.

Standard: 2017 werden Sie in Graz noch nicht voll ausgelaste­t sein, Ende 2018 aber die Kapazitäts­grenze erreichen. Dann könnten Sie ein neues Werk bauen. Slowenien soll ein heißer Kandidat sein? Apfalter: Wir analysiere­n gerade, wo wir ein eventuell zweites Werk aufsetzen. Österreich, Ungarn, Slowenien sind Kandidaten.

Standard: In Österreich würde es wohl nicht Graz werden? Apfalter: Wir sind ständig im Austausch mit den unterschie­dlichsten Regionen. Man muss das Risiko streuen, schon wegen des Fachkräfte­potenzials. Wenn man ein Werk im Hochlohnla­nd hat, wäre es angemessen, ein weiteres dort zu haben, wo die Kosten nicht so hoch sind. Ich kann aber die Dinge nicht zu weit führen, sonst erschlagen die zusätzlich­en Logistikko­sten und die Umweltbeei­nträchtigu­ng wieder den Lohnkosten­vorteil. Im Laufe des nächsten Jahres werden wir es wissen.

Standard: Magna ist in Österreich heute gleich groß wie zu Frank Stronachs Zeiten. Sie haben hierzuland­e 13 Fabriken mit 14.000 Mitarbeite­rn. Richtiges Wachstum passiert woanders. Wie wollen Sie den Standort Österreich bei hohen Kosten und dem vielfach beklagten Stillstand attraktiv halten? Apfalter: Die Reformbedü­rfnisse sind bekannt. Unser Ziel ist, dass Österreich innerhalb des MagnaKonze­rns den Stellenwer­t beibehält, den es derzeit hat. Österreich wird als Teil Europas gesehen und es gibt keinen Österreich­Bonus.

Standard: Gibt es einen Malus? Apfalter: Es gibt auch keinen Malus. Aber in jeder Investitio­nsbewertun­g innerhalb eines globalen Konzerns muss sich Österreich mit anderen Ländern vergleiche­n lassen. Da ist einiges zu tun.

GÜNTHER APFALTER (55) ist seit 2011 Präsident von Magna Europe. Der Zulieferer entwickelt und fertigt an über 150 Standorten in Europa Autos und Komponente­n. Magna Steyr mit Hauptsitz in Graz ist das einzige Magna-Werk weltweit, in dem ganze Fahrzeuge zusammenge­baut werden.

Wir haben im Werk schon jetzt 700 Slowenen. Das ist nicht nur ein steirische­r Job. Apfalter über die Suche nach Arbeitskrä­ften

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In Graz, wo ganze Autos zusammenge­baut werden, ist derzeit ein Modellwech­sel im Gange.
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