Der Standard

„Keine geeinte Partei“

Dass der Streit innerhalb der Wiener SPÖ beigelegt ist, bezweifelt Politologe Peter Hajek. Die Gräben könne nur ein neuer Kompromiss­kandidat überbrücke­n. Die Kritiker von Michael Häupl halten sich aber vorerst zurück.

- Oona Kroisleitn­er Rosa Winkler-Hermaden

Meinungsfo­rscher und Politologe Peter Hajek bezweifelt, dass die Revolution in der Wiener SPÖ ganz abgesagt ist.

Wien – Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl erklärte nach einer vierstündi­gen Sitzung des Parteivors­tands den Konflikt innerhalb der SPÖ als beigelegt. Man würde weiter diskutiere­n, jedoch über Inhalte. Dass die Revolution innerhalb der Stadt-Roten tatsächlic­h komplett abgesagt ist, kann Meinungsfo­rscher und Politikwis­senschafte­r Peter Hajek nicht ganz glauben: „Von nur einer Seite her einen Streit für beendet zu erklären geht nicht.“Auch wenn man sich geeinigt habe, den Konflikt nicht weiter öffentlich auszutrage­n, gebe es die Streitlini­en weiterhin. „Da war eher der Wunsch der Vater des Gedankens.“

Die Öffentlich­keit, mit der der SPÖ-interne Konflikt ausgetrage­n wurde – der ehemalige Landespart­eisekretär Christian Deutsch forderte Häupl zur Amtsüberga­be auf –, zeige vielmehr, dass es „offensicht­lich keine geeinte Partei“mehr gebe und „dem Chef zumindest zwischenze­itlich die Zügel aus der Hand geglitten sind“, sagt Hajek. Die Frage sei nun, ob es sich bei den Querelen lediglich um persönlich­e Interessen handle oder ob es tatsächlic­h ein „tiefgreife­nder ideologisc­her Konflikt“sei. Hajek vermutet Letzteres: „Personelle Entscheidu­ngen spielen in der Politik zwar immer eine große Rolle, sie spiegeln aber auch die politische Ausrichtun­g einer Partei wider.“

In den inhaltlich­en Gräben zwischen den beiden Flügeln der Partei sieht der Politikwis­senschafte­r eine „große Gefahr“. Denn die Kluft könne nur eine Person an der Spitze schließen, die in der Lage ist, „Brücken zu bauen“. Solch ein Kompromiss­kandidat sei aber derzeit nicht in Sicht. Eine weitere Möglichkei­t sei der Weg, den sich die Partei selbst verordnet hat: ein Programmpr­ozess, eine neue Ausrichtun­g der SPÖ.

Der „Kardinalfe­hler“Häupls sei jedoch schon vor einem Jahr passiert, meint Hajek. Bei der Verlängeru­ng von Rot-Grün in Wien hätte es „neue Akzente“geben müssen. Rufe nach einer Erneuerung seien damals ignoriert worden.

Trotzdem zeigten sich die internen Kritiker durch den Beschluss, ein „Themenlist­ing“zu erstellen, am Dienstag zufrieden. Einer der Rädelsführ­er in Sachen Kritik am Bürgermeis­ter war in den vergan- genen Wochen Gerhard Schmid, ehemaliger Geschäftsf­ührer der Bundespart­ei und Vorsitzend­er der SPÖ Hietzing. Er hatte von Häupl verlangt, thematisch aktiver zu werden. Die Partei müsse sich Konzepte überlegen, wie man auch „Menschen mit bescheiden­em Lebensstan­dard“und den Mittelstan­d wieder enger an sich binden könne.

Nur „inhaltlich­er Aufstand“

Am Tag nach dem Parteivors­tand relativier­t Schmid die Kritik an Häupl, es habe sich höchstens um einen „inhaltlich­en Aufstand“gehandelt. Der Reformstau löse sich nun auf, wichtige Fragen seien angesproch­en worden. Auch verwehrt er sich dagegen, einem rechten Lager in der Partei zugerechne­t zu werden, habe er doch in seiner Zeit im Kabinett des ehemaligen Bundeskanz­lers Werner Faymann viel antifaschi­sti- sche Arbeit geleistet. Schmid rechnet damit, dass Häupl Anfang 2017 eine Entscheidu­ng in Sachen Nachfolge präsentier­en wird.

Auch Deutsch zeigte sich vorerst besänftigt. Dass der Parteitag nun doch im Frühjahr stattfinde­n könne, sei ein „positives Signal“. Neben inhaltlich­en Debatten seien aber auch personelle Weichenste­llungen wichtig. Häupl sei offenbar noch nicht bereit gewesen, loszulasse­n und die nötigen inhaltlich­en und personelle­n Änderungen einzuleite­n.

Dass man mit den internen Diskussion­en Präsidents­chaftskand­idat Alexander Van der Bellen geschadet habe, verneint Schmid. Man stehe hinter ihm und werde in den Wochen vor der Wahl noch alles tun, um zu mobilisier­en. Hajek hält den Schaden ebenso für gering. „Ist die Sozialdemo­kratie wirklich so sehr für Van der Bellen gelaufen? Ich denke nicht.“

 ??  ?? Für Michael Häupl wird es laut Peter Hajek schwer, die beiden Flügel wieder zusammenzu­bringen.
Für Michael Häupl wird es laut Peter Hajek schwer, die beiden Flügel wieder zusammenzu­bringen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria