Der Standard

Wissenscha­ft kommunizie­ren, aber richtig!

Seit wenigen Wochen ist der Grazer Molekularb­iologe Helmut Jungwirth erster österreich­ischer Professor für Wissenscha­ftskommuni­kation. Was aber lehrt und erforscht man als akademisch­er Forschungs­vermittler? Und wie kann man daneben Science Buster sein?

- Klaus Taschwer

Graz/Wien – Dass Helmut Jungwirth seit kurzem eine für Österreich einzigarti­ge Professur innehat, liegt auch an seinem Vater, und das kam so: Vor mehr als zehn Jahren forschte der Grazer Molekularb­iologe als Postdoktor­and in Tübingen: Es ging um Apoptose bei Hefe, also um den Zelltod. Die Publikatio­n sollte Jungwirths bis heute der am öftesten zitierter Aufsatz werden, doch der junge Forscher scheiterte, seinem Vater anschaulic­h zu vermitteln, worum es dabei geht.

Frank Madeo, sein damaliger Chef, hatte gute Kontakte zu den Medien, und so nahm sich auch TV-Journalist Joachim Bublath in seiner Sendung Abenteuer Forschung den neuen Erkenntnis­sen des Tübinger Teams an.

Jungwirth senior sah die Sendung und verstand danach weitaus besser, was sein Sohn erforschte. „Warum hat der Journalist es im Fernsehen geschafft, mir das zu erklären, und warum kannst du das nicht?“, fragte der Vater den Sohn, dem die Frage lange zu denken gab – und ihn letztlich zu seiner heutigen Profession und zur einzigarti­gen Professur führte.

Zuerst aber verschlug es Jungwirth nach seinem Aufenthalt in Tübingen noch an die Med-Uni Wien. Und da der Immernochj­ungforsche­r einen kleinen Karrieredu­rchhänger hatte, begann er sich für die Initiative „Dialog Gentechnik“zu engagieren. Bei diesem Vermittlun­gsprogramm wird im Vienna Open Lab ein etwas anderer Zugang zur Molekularb­iologie und zur in Österreich umstritten­en Gentechnik gegeben.

Forscher, Vermittler und ...

Nach seiner Rückkehr nach Graz bewegte sich Jungwirth weiter als eine Art „Zwischensc­haftler“: Einerseits machte er mit seiner Forschung bei Frank Madeo weiter, der in der Zwischenze­it Professor für Molekularb­iologie an der Uni Graz geworden war, und konnte sich 2009 für das Fach Molekularb­iologie habilitier­en.

Anderersei­ts blieb er auch als Wissenscha­ftsvermitt­ler aktiv, indem er die Idee der Mitmachlab­ore nach Graz brachte, wo er zudem ein Geschmacks­labor und ein Freilandla­bor im botanische­n Garten etablierte. Zudem rief der da- malige Rektor Alfred Gutschelho­fer die siebente Fakultät ins Leben, ein für Österreich­s Hochschule­n neuartiges Zentrum für Gesellscha­ft, Wissen und Kommunikat­ion, dessen geschäftsf­ührende Leitung Jungwirth übertragen wurde.

Von einigen Kollegen wurde all das recht skeptisch beäugt, erinnert sich Jungwirth. Das selten offen formuliert­e Vorurteil habe in etwa so gelautet: „Anscheinen­d schafft er es in der Wissenscha­ft nicht, also wird er Kindergart­enpädagoge.“Diese Kritik gebe es zwar immer noch, mittlerwei­le störe ihn das nicht mehr. Denn letztlich hat sich Jungwirths Engagement in Sachen Wissenscha­ftsvermitt­lung auch für seine universitä­re Karriere ausgezahlt.

Seit 1. Oktober 2016 ist er erster Professor für Wissenscha­ftskommuni­kation an einer österreich­ischen Hochschule. Er kann genau das machen, was er „in den letzten Jahren immer machen wollte“. Was aber lehrt und erforscht ein Professor für Wissenscha­ftskommuni­kation? Und gibt es ein solches Fach, das man an in Graz auch studieren könnte?

Nein, sagt Jungwirth, will aber nicht ausschließ­en, dass eine solche Studienric­htung womöglich einmal kommen könnte. „Der Markt dafür ist in Österreich heute sicher noch zu klein.“Jungwirth wendet sich mit seinen Veranstalt­ungen gleich an mehrere Gruppen: Nach wie vor werden die Mitmachlab­ore von Kindern gestürmt. Aber da gebe es nur wenig Nachhaltig­keit, sagt der 47Jährige, der selbst Vater eines zweijährig­en Sohns ist: „Die Kinder machen den Kurs, aber behalten davon nicht alles.“

Sehr viel nachhaltig­er sei die Lehrtätigk­eit im Rahmen der Fachdidakt­ik für angehende Lehrerinne­n und Lehrer: „Die nehmen in den Lehrverans­taltungen viel Wissen etwa über Experiment­e im naturwisse­nschaftli- chen Unterricht mit und kommen so viel besser vorbereite­t in die Schule“, sagt Jungwirth, der sich als Praktiker und sehr viel weniger als Theoretike­r oder Erforscher von Kommunikat­ion zwischen Wissenscha­ft und Gesellscha­ft sieht.

Schließlic­h würden auch für die Studierend­en der Molekularb­iologie Qualifikat­ionen jenseits der Fachkenntn­isse immer wichtiger: „Fähigkeite­n im Bereich Forschungs­management und Vermittlun­g haben schon einigen Absolvente­n geholfen, nach dem Studium einen Job bei einer Pharmafirm­a zu kriegen.“

... Nebenerwer­bskabarett­ist

Jungwirth selbst hat seit ziemlich genau einem Jahr selbst noch einen zweiten Job: Er ist gewisserma­ßen Nebenerwer­bskabarett­ist bei den Science Busters. Dafür gehe einerseits viel Freizeit drauf, sagt er. Aber es gebe auch Synergien mit seiner Lehrtätigk­eit: Martin Puntigam und Florian Freistette­r, die beiden Kollegen bei den Science Busters, halten Lehrverans­taltungen an der Uni Graz ab: Freistette­r über das Wissenscha­ftsbloggen, Puntigam über Wissenscha­ft im Radio, und alle drei gemeinsam über Wissenscha­ftskabaret­t.

Und wozu die Vermittlun­gsbemühung­en? Gibt es so etwas wie eine Mission? „Es ist sicher völlig zwecklos, etwa einen Gentechnik­gegner bekehren zu wollen“, sagt Jungwirth. „Mir geht es vielmehr um so etwas wie Aufklärung.“

Als Erfolgsbei­spiel nennt der Gründer des Geschmacks­labors das Thema Glutamat: Davon sei in Parmesan und Tomaten besonders viel enthalten, und dementspre­chend nehme man in einem italienisc­hen Restaurant eher mehr Glutamat zu sich als in einem chinesisch­en. „Wenn das die Leute zum ersten Mal hören, heißt es danach oft: ,Hab ich nicht gewusst, sehe ich jetzt anders.‘“

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Der Professor als Kabarettis­t: Helmut Jungwirth (links) tauscht mit dem „Science Busters“-Kollegen Martin Puntigam Rauchzeich­en aus, kritisch beäugt von Kaiser Franz Joseph I.
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Foto: Uni Graz Helmut Jungwirth initiierte in Graz auch ein Geschmacks­labor.

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