Roboterforschung in Mailand
Auf dem Gelände der Expo in Mailand soll mit dem Human Technopole ein europäisches Großforschungszentrum errichtet werden
Italien will seinen Nachholbedarf im Forschungsbereich aufholen. Denn 2015 wurden hier nur neun Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert. Das ist weniger als ein Prozent der Wirtschaftsleistung. Damit befindet sich das Land im EU-Vergleich im Schlussfeld. Doch das soll nun anders werden. Regierungschef Matteo Renzi hat kürzlich gemeinsam mit Mailands Bürgermeister Giuseppe Sala einen „Pakt“unterzeichnet, durch den die lombardische Metropole künftig zum größten Forschungszentrum in der EU werden soll.
Das Projekt Human Technopole mit einer garantierten Finanzierung von insgesamt 2,5 Milliarden Euro für zehn Jahre soll auf dem ehemaligen Gelände der Weltausstellung, nordwestlich von Mailand, umgesetzt werden. Auf rund 70.000 Quadratmetern werden sieben Forschungszentren errichtet, in welchen 1500 nationale und internationale Wissenschafter und Forscher arbeiten sollen.
Der Fokus liegt auf Krebsforschung, Genetik, neurokognitiven Störungen, Ernährungswissenschaften, der Entwicklung mathematischer Algorithmen sowie ihrer Anwendung und Auswertung. Der Direktor des Genueser Istituto Italiano di Tecnologia (IIT), der Physiker Roberto Cingolani, sagt, dass im neuen Zentrum mathematische Modelle und Datenstudien kombiniert werden sollen, um Krankheiten besser zu erfassen und neue Therapien zu erforschen.
Das IIT ist federführend bei der Umsetzung von Human Technopole. Das neue Forschungszentrum soll neben dem ebenfalls auf dem Expo-Gelände geplanten Campus der naturwissenschaftlichen Fakultät der Mailänder Universität Statale entstehen. Sollte Mai- land von Brüssel auch den erhofften Zuschlag für die EU-Pharma-Agentur bekommen, würde auf dem Expo-Gelände ein Forschungszentrum internationalen Ausmaßes entstehen. Der Spatenstich ist für Frühjahr 2017 geplant.
Das Istituto Italiano di Tecnologia bildet auch das Modell für das neue Forschungszentrum in Italien. Das 2006 errichtete „MiniMax-Planck-Institut“zählt zu den Aushängeschildern für Italiens Hightech-Sektor. Hier werden neue Materialien, Robotik und bioinspirierte Technologien weiterentwickelt. Das Durchschnittsalter der 1441 Beschäftigten – vorwiegend Forscher – aus 50 verschiedenen Ländern liegt bei 34 Jahren. 45 Prozent des Personals kommen aus dem Ausland. Nahezu die Hälfte sind Frauen. In den vergangenen zehn Jahren hat das vom Finanzministerium finanzierte Institut 6990 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht und 350 Patente angemeldet, die auch aktiv sind.
Den schiefen Turm stützen
Es hat zudem zwölf Start-ups gegründet und verfügt gemeinsam mit den Universitäten von Mailand, Turin, Ferrara, Trient, Rom, Genua, Neapel und Lecce über elf Forschungsstellen im Inland und mit der Harvard-Universität und dem Massachusetts Institute of Technology über zwei im Ausland. Mitunter macht das IIT in der Weltpresse Schlagzeilen: etwa mit einem Foto, auf dem der 1,83 Meter große Roboter Walkman, vom IIT gemeinsam mit der Universität Pisa entwickelt und mit EU-Mitteln finanziert, den schiefen Turm von Pisa zu stützen scheint. Walkman soll künftig bei Naturkatastrophen eingesetzt werden, da er sich unter anderem etwa auf erdbebengeschädigtem Terrain autonom fortbewegen kann.
Zu den vielversprechenden Projekten zählt das von der staatlichen Unfallversicherung Inail unterstützte Projekt für innovative Geräte im Rehabilitations- und Prothesenbereich. IIT-Generaldirektor Simone Ungaro hat nun ein Rehab-Technology-Start-up mit dem Namen Hunova gegründet. Sein Ziel ist es, künftig Fitness mit Rehabilitierung vor allem für die ältere Bevölkerungsschicht zu verbinden. Es handelt sich um das größte Start-up Italiens: Der Pharmaunternehmer Sergio Dompè investierte zehn Millionen Euro und hält damit die Hälfte von Hunova. Der Rest entfällt auf das ITT.
Zu den wichtigsten IIT-Projekten zählt das European Flagship Project Graphene. Dabei geht es um die Entwicklung eines nachhaltigen Materials, um Plastik zu ersetzen. Das Projekt ist auf zehn Jahre angelegt. Mehrere Modeund Designfirmen haben bereits Objekte wie Motorradhelme und Brillenfassungen aus dem widerstandsfähigen, kostengünstigen und leichten Material im Visier.
Der eigentliche Star des Instituts heißt jedoch ICub. Es handelt sich um einen Roboter der zweiten Generation in der Größe eines vier- bis fünfjährigen Kindes, der zum Lebensgefährten im Hausgebrauch werden und in Zukunft auch Pflegedienste bei der Altersversorgung übernehmen soll.