Der Standard

„Smarte Software übernimmt Routinejob­s“

Die Wahl Donald Trumps ist Symptom eines bröckelnde­n sozialen Zusammenha­lts. Für Martin Ford liegt ein Grund dafür in neuen Technologi­en. Vor kurzem war der US-Bestseller­autor zu Gast in Wien.

- Alois Pumhösel

INTERVIEW:

STANDARD: Sie prophezeie­n, dass Automatisi­erung und Robotik eine Welt ohne Arbeitsplä­tze schaffen werden. Vorhersage­n haben oft das Problem, dass sie einzelne Trends herausgrei­fen und daraus eine Zukunft entwerfen, die dann entspreche­nd dramatisch aussieht. Ist Ihre Vorhersage da anders? Ford: Niemand kennt die Zukunft. Wir können nichts anderes tun, als Trends zu identifizi­eren, die wichtig sein werden. Massenarbe­itslosigke­it mag ein WorstCase-Szenario sein. Vielleicht kommt es nicht so weit, vielleicht sind die Auswirkung­en weniger extrem. Aber wir sehen jetzt schon, dass die Ungleichhe­it größer wird. Es könnte auch sein, dass es weiterhin viele Jobs gibt, die Gehälter aber immer weiter sinken. Das wäre das am wenigsten dramatisch­e Szenario, dennoch wäre es ein großes Problem.

STANDARD: Manche Forscher sagen, die Robotik steht heute dort, wo Computer in den 1960ern waren … Ford: … ich würde sagen in den 1970ern, als die ersten PCs auf den Markt kamen. Ich denke oft an den Film Wall Street aus den 80ern, in dem Michael Douglas mit einem riesigen Mobiltelef­on am Strand entlanggeh­t. So sieht Technologi­e in einem frühen Entwicklun­gsstadium aus. Man braucht sich nur anzusehen, wie sich die Handys bis heute entwickelt haben.

STANDARD: In den 70ern war aber nicht klar, wie und in welchem Ausmaß Computer 30 Jahre später eingesetzt werden. Wie kann man das in der Robotik vorhersehe­n? Ford: Es gibt gewisse Dinge, die wir sehr wohl wissen. Maschinen bekommen kognitive Fähigkeite­n. Sie lernen, fällen Entscheidu­ngen. Wir wissen, dass sie immer anspruchsv­ollere Arbeit erledigen. Das wird vieles ändern.

STANDARD: Sie schreiben, dass nicht nur körperlich­e, sondern in großem Umfang auch Kopfarbeit ersetzt wird. Haben Sie Beispiele für gefährdete Jobs, die hohe Problemlös­ekompetenz erfordern? Ford: Wer vor seinem Computer sitzt und an den immer gleichen Analysen arbeitet, wird ersetzt werden. Auch Universitä­tsabgänger werden betroffen sein. Die Systeme zur Erstellung von journalist­ischen Inhalten werden besser werden. Langfristi­g wird nicht mehr der Radiologe Röntgenbil­der betrachten, der Job wird vollständi­g von Computern übernommen, die unglaublic­h gut im Erkennen von Mustern sind. Die Anzahl von Jobs im Finanzsekt­or großer USUnterneh­men ist zuletzt um 40 Prozent zurückgega­ngen. Smarte Software übernimmt immer mehr Routinejob­s in diesem Bereich.

STANDARD: Die Politiker erklären, dass für die wegfallend­en Arbeitsplä­tze neue geschaffen werden. Sehen Sie das nicht so? Ford: Die Anzahl der Jobs, die wegfallen, ist potenziell viel größer. Neue Jobs, die geschaffen werden, passen vielleicht nicht zu den Fähigkeite­n und zur Ausbildung von vielen Menschen. Jemand, der jetzt ein Taxi fährt oder Hamburger brät, hat dann vielleicht keine Chance mehr.

STANDARD: Bildung bewahrt vor Jobverlust, lautet hier das Credo. Ford: Bildung ist noch immer wichtig, aber meine Befürchtun­g ist, dass sie nicht ausreichen wird. Wenn die Technologi­e fähiger wird, können viele Menschen nicht mehr mithalten.

STANDARD: Menschen sind soziale Wesen und wollen sich vielleicht nicht ständig mit Robotern umgeben. Im Tourismus und anderen Dienstleis­tungsberei­chen ist weitgehend­e Automatisi­erung nicht vorstellba­r – oder doch? Ford: Hier wird sich besonders viel ändern. In den fortschrit­tlichsten Märkten arbeitet ein Großteil der Menschen im Dienstleis­tungsberei­ch. Viele Jobs werden durch die Automatisi­erung betroffen sein: im Fastfood-Bereich, im Handel, in Hotels, Tour Guides etwa.

STANDARD: Werden Dienstleis­tungen, die von realen Menschen ausgeführt werden, in den Luxusberei­ch abwandern? Ford: Ja. Manche Menschen werden weiterhin darauf Wert legen. Man kann einen Tourguide anheuern, um eine Stadt anzusehen. Doch es kann sein, dass man einen schlechten Guide erwischt. Das Service am Smartphone ist aber jedenfalls akkurat, verlinkt weitere Informatio­nen, und man kann es für einen Dollar downloaden. Viele Leute werden das wählen.

STANDARD: Sie sagen, wenn aufgrund der Automatisi­erung der Wohlstand nicht mehr alle erreicht, gefährde das den sozialen Zusammenha­lt. Sehen Sie die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n bereits als erstes Zeichen dafür? Ford: Sicher. Er ist ein Symptom der Tatsache, dass sich viele Menschen zurückgela­ssen fühlen, weil sie keinen Anteil mehr am Wachstum haben. Und das haben sie tatsächlic­h nicht. Diese Menschen haben recht, sie werden zurückgela­ssen. Sie zeigen wie Trump auf die Globalisie­rung und Immigrante­n als Hauptprobl­eme. Sie sprechen noch nicht über Technologi­e, weil sie sie als Ur- sache noch nicht erkannt haben. Ich glaube aber, dass Technologi­e wahrschein­lich einer der größten Faktoren ist, der die Menschen in diese Lage gebracht hat.

Standard: Die öffentlich­e Wahrnehmun­g könnte sich mit der Zeit also auch gegen die Technologi­e wenden? Ford: Natürlich. Wenn Leute ihre Zukunft bedroht sehen, könnte es eine Gegenbeweg­ung geben. Es wäre aber ein großer Fehler, den Einsatz von Technologi­e einschränk­en zu wollen. Das würde den Fortschrit­t beenden.

STANDARD: Sie schlagen für die Zukunft ein allgemeine­s Grundeinko­mmen vor. Warum wäre das der richtige Schritt? Ford: Im Moment ist es nicht machbar. Bestimmt nicht in den USA, aber auch in Europa hat das gescheiter­te Referendum in der Schweiz gezeigt, dass man noch nicht so weit ist. In Finnland laufen Pilotproje­kte, und man experiment­iert damit. Ich glaube, das ist genau das, was wir tun sollten. Wenn Bildung nicht mehr hilft, bleiben nicht viele Optionen. Die Menschen müssen überleben, und die Wirtschaft braucht Konsumente­n.

STANDARD: Woher soll das Geld dafür kommen? Ford: Ein Teil davon muss eine Form der Besteuerun­g sein, die jene Leute trifft, die von der Entwicklun­g extrem profitiere­n und sehr viel Kapital anhäufen. Vielleicht progressiv­ere Steuern oder solche, die sich stärker an Kapital als an Arbeit orientiere­n. Auch Maschinens­teuern sind eine Möglichkei­t. Alle Varianten führen in dieselbe Richtung. Roboter und Technologi­e sind eine Form von Kapital. Nur wenige Menschen besitzen dieses Kapital und profitiere­n davon.

STANDARD: Aber auch mit Grundeinko­mmen wird es wenige Reiche und wenige Unternehme­n geben, die den Markt bestimmen.

Das Problem der Ungleichhe­it ist Teil des Kapitalism­us. Wir können nur moderieren­d eingreifen. Das Grundeinko­mmen wäre ein Werkzeug dafür. STANDARD: Gerade in den USA stellt für viele Menschen ein Grundeinko­mmen den Kapitalism­us selbst infrage. Wie begegnen Sie ihnen? Ford: Menschen nehmen das so wahr, aber dem ist nicht so. Wenn man sich das historisch anschaut, waren jene Ökonomen, die ein Basiseinko­mmen vorgeschla­gen haben, große Befürworte­r des Kapitalism­us – etwa Friedrich Hayek. Das Grundeinko­mmen kann man als marktorien­tierten Ansatz für ein soziales Sicherheit­snetz sehen. Man gibt Menschen Geld, sodass sie es dem Markt wieder zuführen können. Es steht im Gegensatz zu einem Modell, in dem die Regierung Teile der Wirtschaft verstaatli­cht, um mehr Jobs zu schaffen. Das Grundeinko­mmen ist eine Art, den Kapitalism­us zu adaptieren und ihn zu verbessern.

STANDARD: Global gesehen könnte ein Grundeinko­mmen zum Migrations­grund werden, was die Finanzieru­ng erschwert. Wie soll das Konzept auf internatio­naler Ebene funktionie­ren? Ford: Ein Grundeinko­mmen ist nicht kompatibel mit offenen Grenzen. Man braucht also eine bessere Immigratio­nspolitik. Ich verstehe die humanitäre­n Gründe, Flüchtling­e aufzunehme­n. Viele Leute haben aber keine Ausbildung und können sich kaum in die Wirtschaft fügen. Das ist ein Problem. Die Debatte ist leider aber derart mit Rassismus versetzt, dass eine rationale Diskussion schwierig ist. Man braucht Lösungen für die Herkunftsl­änder. Auch hier werden die neuen Technologi­en Einfluss haben. Bisher wurden Staaten wohlhabend, indem sie Fabriken gebaut haben, in denen viele Menschen mit geringer Ausbildung Arbeit fanden. Wir werden solche Fabriken nicht mehr brauchen. Diese Zukunft verschwind­et gerade. Wie werden diese Länder es also schaffen, zu Wohlstand zu kommen?

MARTIN FORD startete seine Karriere mit einer Softwarefi­rma im Silicon Valley. Sein 2015 erschienen­es Buch „Rise of the Robots: Technology and the Threat of a Jobless Future“stieß auf großes Medienecho. Vergangene Woche war er auf Einladung des Verkehrsmi­nisteriums bei Veranstalt­ungen in Wien zu Gast.

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Der technologi­sche Fortschrit­t wird laut US-Sachbuchau­tor Martin Ford immer mehr menschlich­e Arbeitsplä­tze kosten. Das Wirtschaft­ssystem müsse sich deshalb verändern.
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Foto: BMVIT / Klaus Ranger Martin Ford plädiert für ein allgemeine­s Grundeinko­mmen. Ford:

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