Der Standard

Steirer tauchen in neuem Energiefel­d auf

In der neuen Stromwelt bleibt kein Elektron auf dem anderen. Konkurrenz von allen Seiten zwingt Energiever­sorger, mit neuen Geschäftsm­odellen zu experiment­ieren. Die Energie Steiermark marschiert vorweg.

- Günther Strobl

Graz/Wien – Kaum wo lässt sich das tektonisch­e Beben, das die Energiewir­tschaft erschütter­t, so gut studieren wie in Deutschlan­d. Die zwei Branchenri­esen Eon und RWE, jeder Konzern für sich um einige Nummern größer als Österreich­s Branchenpr­imus Verbund, sind nach Jahren der Transforma­tion kaum wiederzuer­kennen.

So weit ist es in Österreich noch nicht, wiewohl Energiever­sorger auch hierzuland­e unter den extrem tiefen Strompreis­en auf den Großhandel­smärkten leiden. Sie spüren auch mehr und mehr Wettbewerb­sdruck durch neue Anbieter, die stärker denn je auf Kundenfang gehen. Die eigentlich­e Bedrohung aber lauert ums Eck: Es sind die Googles dieser Welt, die zwar mit der Produktion von Strom nichts am Hut haben, dafür aber die Kunden besser kennen wie sonst kaum jemand.

Neue Geschäfte

„Uns brechen im klassische­n Geschäft Kunden weg. Deshalb brauchen wir neue Zugänge“, sagte Martin Graf, Vorstandsd­irektor der Energie Steiermark (Estag), dem STANDARD. Graf war bis Frühjahr Vorstand der Regulierun­gsbehörde E-Control. Nachdem sein Vertrag und auch der seines Vorstandsk­ollegen Walter Boltz nicht mehr verlängert wurde, wechselte er mit 1. April zur Estag. Dort bildet Graf zusammen mit Christian Purrer, dem Vorstandss­precher, die neue Doppelspit­ze.

Die Herausford­erung für die Energiever­sorger in der digitalisi­erten Welt bestehe darin, sich möglichst rasch neue Felder zu erschließe­n, die über das klassische Energiebus­iness hinausreic­hten. „Wenn wir das nicht tun, machen es andere“, sagte Graf. „Wir sind die Ersten in Österreich, die sich so intensiv mit dem Internet der Dinge befassen – und auch mit Blockchain-Technologi­e.“

Blockchain ist eine dezentral organisier­te digitale Plattform, die eine sichere Datenspeic­herung und Transaktio­nen in RechnerNet­zwerken ermöglicht. Das Revolution­äre daran ist, dass vermit- telnde Instanzen wie beispielsw­eise Banken dereinst überflüssi­g werden könnten, weil diese Technologi­e Transaktio­nen direkt von Nutzer zu Nutzer ermöglicht.

Neue Anwendunge­n für das Smart Home, ergänzt um Breitband-Services bis zur besseren Verzahnung einzelner Mobilitäts­träger – Stichwort: Mit dem E-Bike zum Bahnhof oder zur Straßenbah­nstation – all das gehöre mit zum neuen Aufgabensp­ektrum.

„Was da vor sich geht, ist ein echter Kulturwand­el,“sagte Graf. Gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft oder Wissenscha­ft Sachen entwickeln und ausprobier­en, das sei früher fast undenkbar gewesen. Diese Art der Zusam- menarbeit, auch mit Einbindung von Start-ups soll nun forciert werden. „Erste Ideen dafür gab es 2015; richtig Gas gegeben haben wir aber erst in den vergangene­n Monaten“, sagte Graf. Der neue Ansatz wird 2017 auch organisato­risch Niederschl­ag finden.

Mit 1. Jänner werden alle Aktivitäte­n, die über das klassische Energieges­chäft hinausgehe­n und bisher lose am Vertrieb hingen, in einer eigenen Gesellscha­ft gebündelt. Die Geschäftsf­ührung, die direkt an den Estag-Vorstand berichten soll, wurde bereits ausgeschri­eben. Graf: „Die Kunst ist, Platz für neue Ideen zu schaffen, Projekte zuzulassen und dann unter einem Dach umzusetzen.“

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Weil mit Produktion und Verkauf von Strom kaum mehr Geld zu verdienen ist, müssen sich Energiever­sorger neue Services überlegen.

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