Der Standard

800 Lamperln und ein Gockel

Die Red Hot Chili Peppers spielten in Wien unter der schönsten Weihnachts­beleuchtun­g aller Zeiten

- Karl Fluch

Wien – Der Mann des Abends saß an der Lichtorgel. Gut, Lichtorgel ist tiefgestap­elt, so hießen früher in Serie geschaltet­e farbige Glühbirnen, die in Partykelle­rn und Elendsdisc­os am Netz steckten und wie Verkehrsam­peln mit Wackelkont­akt blinkten. Bei den Red Hot Chili Peppers heißt das auch nicht Lichtorgle­r, sondern StageDesig­ner, und anlässlich der aktuellen The Getaway-Tour, die am Montag in der Wiener Stadthalle Stopp machte, ließen sich Scott Holthaus und Co nicht lumpen.

Hunderte Leuchtzyli­nder, die einzeln an Drahtseile­n befestigt auf und ab bewegt werden konnten, überdeckte­n den Bühnen- und vorderen Publikumsb­ereich. Diese Zylinder, sogenannte Tait Nano Winches, 800 sollen es sein, ergaben eine so minimalist­ische wie spektakulä­re Lichtshow. Sie senkten sich in Wellenbewe­gungen, formierten sich zu schiefen Ebenen oder zu exklusiven Spots, wenn unter ihnen einer der vier Hauptdarst­eller des Abends seinen showmäßige­n Auszucker absolviert­e.

Rhythmus aus dem Strampler

Und davon gab es einige, denn der hochgepeit­schte Funkrock der US-Band verführte dazu, wahlweise in den Spagat zu gehen – wie Gitarrist Josh Klinghoffe­r – oder das Rumpelstil­zchen auf Koks zu geben, wie Bassist Michael Bal- zary alias Flea das tut. Über den Schlagzeug­er muss man nicht viel sagen, der hält nur den Rhythmus, und das kann er, der Chad Smith, der, zumindest aus der Tiefe des Saals sah es so aus, in einem roten Strampelan­zug seiner Arbeit nachging.

Derlei zelebriert­e Infantilit­ät konveniert­e mit dem Tun des Frontmanns Anthony Kiedis, der in kurzen Hosen mit bunten Leggings darunter auftrat und als Nichtinstr­umentalist traditione­ll unterbesch­äftigt war. Wenn er also nichts zu singen hatte, durchmaß er sportlich hüpfend den Bühnenraum wie jemand, der im Fitnessstu­dio seine Hantel verlegt und Sorge hat, seine Muskeln könnten auskühlen. Aber gut, das hält fit, das sieht man ihm an, Waden zum Reinbeißen, und für derlei Gegockel werden die Peppers ja geliebt. Und natürlich für ihre Musik.

Die Band gab kein schnödes Best-of-Programm aus ihrer bald 35 Jahre dauernden Karriere. Ihre Mischung von aus dem Punk kommender Härte und Funk zeitigt einerseits Hits wie Blood Sugar Sex Magik mit seinem – einem vergangene­n Zeitgeist geschuldet­en – Rap-Gekläffe. Das durfte live nicht fehlen, dabei würde es nicht fehlen, fehlte es einmal.

Überzeugen­der waren aber Songs, in denen Kiedis’ Gesang den Liedern jene Melancholi­e einschrieb, die die zärtlicher­en Saiten an Klinghoffe­rs Gitarre zum Schwingen brachte. Prototypis­ch dafür steht Californic­ation, der Widerhall aus tausenden Kehlen unterstric­h das. Die detailverl­iebte Produktion des neuen Albums unter der Ägide von Brian Burton alias Danger Mouse zeitigte zwar die Hereinnahm­e zweier weiterer Musiker an Tasten, wobei es vermessen wäre zu behaupten, dass diese neuen Songs wie Go Robot oder Dark Necessitie­s besonderen Mehrwert verliehen hätten.

Zur heftig geforderte­n Zugabe kopulierte­n Schlagzeug und Gitarre instrument­al, der Song Dreams of a Samurai erinnerte den Saal noch einmal daran, dass es ein neues Album zu kaufen gibt, darauf vergessen durfte man beim Saalfeger Give It Away, der, wenig überrasche­nd, finalen Segnung dieses routiniert aufgeführt­en Kontrollve­rlusts.

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Anthony Kiedis von den Chili Peppers bei der Kontaktauf­nahme mit dem Publikum. Es liebt ihn trotzdem.

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