Der Standard

Wenn ich Präsident Hofer wär’ ...

Österreich braucht ganz dringend „Strukturre­formen“. Man muss bereit sein, alte Zöpfe abzuschnei­den: von der Sozialpart­nerschaft über die Medien(förderung) bis hinein in die Sozialvers­icherungen. Ein kleines Gedankenex­periment.

- Stephan Schulmeist­er STEPHAN SCHULMEIST­ER ist Wirtschaft­sforscher und Uni-Lektor in Wien.

Wenn ich Präsident Hofer wäre, dann würde ich die Regierung nicht entlassen, sondern meinen Sieg in den Altparteie­n wirken lassen. Beide stecken in einer Identitäts­krise, christlich­e oder sozialdemo­kratische Grundwerte geben ihnen keinen Halt, die Frage „Wie umgehen mit den Freiheitli­chen?“spaltet sie immer mehr. Mein Sieg wird diesen Prozess beschleuni­gen, denn jetzt geht es um die (Teil-) Rettung der Macht.

In der SPÖ stärkt mein Sieg jene Kräfte, die Blau-Rot für das viel kleinere Übel halten als BlauSchwar­z. Diesen Leuten müssen wir Angebote machen, um die Spaltung zu vertiefen. Wir wissen: Unsere Hauptgegne­r sind die Roten, regieren werden wir mit denen nicht. Kooperatio­nen auf Landes- und Gemeindeeb­ene befördern hingegen die Spaltung der SP. Und eines ist gewiss: Eine sozialdemo­kratische Erneuerung kann Christian Kern dann vergessen.

Wie wir der SPÖ „das Soziale“nehmen, so holen wir uns von der ÖVP „das Christlich­e“. Auch dieser Prozess ist seit langem im Gange, mein Sieg beschleuni­gt ihn drastisch. Mitterlehn­er, Fischler, Karas und Co haben sich durch Unterstütz­ung des Van der Bellen selbst erledigt. Die Zukunft gehört Kurz und Lopatka, und die haben die ÖVP schon weitgehend „entchristl­icht“. Mit seinem Vorschlag, Flüchtling­e auf Inseln zu interniere­n, hat mir Kurz sogar erlaubt, ihn christlich zu überholen – er ist unser Mann. Wir müssen nur zweierlei erreichen: Die ÖVP darf nicht zu weit absacken, und der Abstand zu uns bleibt gleichzeit­ig groß genug für die Kanzlersch­aft vom H.-C.

Als Bundespräs­ident werde ich, freundlich und besorgt, zuschauen, wie die SP-VP-Regierung zusammenbr­icht, und den Nationalra­t auflösen. Bei den Wahlen wird sich mit unserem Juniorpart­ner eine satte Parlaments­mehrheit ausgehen, selbst wenn die ÖVP unter 20 Prozent bleibt. Dann ist die Zeit des Handelns gekommen.

Eine Erneuerung der Zweiten Republik verlangt Strukturre­formen, ohne Überwindun­g der Sozialpart­nerschaft geht das nicht. Wir werden daher die Zwangsmitg­liedschaft bei allen Kammern abschaffen. Sie widerspric­ht ja der Freiheit des mündigen Bürgers, überdies haben Arbeitnehm­er, Unternehme­r, Bauern, Ärzte, Rechtsanwä­lte etc. dann mehr Geld im Börserl. Die wissenscha­ftliche Begründung steuert das HayekInsti­tut sicher gern bei. Die Arbeiterka­mmern sind dann erledigt und damit eine Machtbasis der SPÖ. Wer freiwillig für seine Interessen­vertretung zahlt, hat ohnehin den ÖGB.

Das gilt nicht in gleicher Weise für die Wirtschaft­skammer. Es werden wohl etwas mehr kleinere und mittlere Unternehme­n bereit sein, sich eine Interessen­vertretung zu leisten, die Konzerne aber sind weg, die haben ja die Industriel­lenvereini­gung. Deren Einfluss wird steigen, und das zu Recht. Denn sie beweist: Auch auf freiwillig­er Basis lässt sich Interessen­vertretung finanziere­n. Außerdem kann man ja – ÖVP-Funktionär­en zum Trost – die neue Wirtschaft­skammer subvention­ieren. Mit ihrem Einsatz für die Konkurrenz­fähigkeit unserer Wirtschaft lässt sich das begründen, und das lassen wir auch für die Landwirtsc­haftskamme­r gelten – für die Arbeiterka­mmer aber nicht. Dankbarkei­t ist nichts Unanständi­ges – schließlic­h war es die Industriel­lenvereini­gung, die uns jahrelang unterstütz­te, nicht die Wirtschaft­skammer.

Überdies profitiere­n Klein- und Mittelbetr­iebe: Ausweitung der täglichen Arbeitszei­t auf zwölf Stunden (bei Bedarf) und Verlagerun­g der Lohnbildun­g auf die Betriebseb­ene nützen nicht nur den Großen. Außerdem befürworte­n die meisten Ökonomen eine Abschaffun­g der Kollektivv­erträge, sie beschränke­n ja die freie Preisbildu­ng am Arbeitsmar­kt. Gewerkscha­ften braucht man dann nicht mehr (siehe Südeuropa). Und wer 50 Jahre keine Manöver gemacht hat, ist kampfuntau­glich.

In der Sozialvers­icherung ziehen wir unser Parteiprog­ramm durch: Alle Anstalten werden zu zwei Systemen zusammenge­fasst, eines für die Österreich­er und eines für die Ausländer. Diese Trennung macht nur Sinn, wenn auch die Leistungen differenzi­ert werden. Natürlich bekommen auch Ausländer die notwendige Gesundheit­sversorgun­g, doch Österreich­er, die 30 oder 40 Jahre Beiträge geleistet haben, werden nicht verstehen, warum ein Ausländer, der nur wenig beigetrage­n hat, auch eine Hüftprothe­se bekommen soll – man kann auch ohne leben. Schon heute sind viel mehr Ausländer arbeitslos als lnländer, wenn sie weniger bekommen, werden sie immer unangenehm­er auffallen, von Bettelei bis zu Kriminalit­ät – junge Flüchtling­e am meisten.

Auch die Medien brauchen Strukturre­formen. Der ORF muss demokratis­iert, der Einfluss also den Mehrheitsv­erhältniss­en angepasst werden. Die Förderung der Printmedie­n ist ebenso zu demokratis­ieren: je höher die Auflage, desto höher die Zustimmung im Volk und daher die Förderung. Eine Hand wäscht die andere.

Unsere Bruderpart­eien in Ungarn und Polen zeigen: Machtverhä­ltnisse kann man schnell verändern. Halbherzig wie Schwarz-Blau unter Schüssel werden wir nicht agieren – auch sie wollten die Pflichtmit­gliedschaf­t in der AK abschaffen, trauten sich dann aber nicht. Allerdings: So weit wie in Polen werden wir nicht gehen und Urteile des Verfassung­sgerichts ignorieren. Das haben wir nicht nötig.

Noch aber bin ich nicht Präsident. Kurze Zeit heißt es noch: weiter lächeln und jedes Gespräch über unsere Pläne vermeiden.

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Norbert Hofer (und Norbert Hofer): Bisher hatte noch kein Kandidat der Freiheitli­chen Partei derart gute Chancen, als Bundespräs­ident in die Hofburg einzuziehe­n.
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Foto: APA S. Schulmeist­er: Pflichtbei­trag für die AK abschaffen.

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