Der Standard

Flüchtling­e: Sofa-Asyling leichtgema­cht

Ein paar sarkastisc­he Anmerkunge­n zu den jüngsten Plänen der EU-Kommission

- Manfred Matzka MANFRED MATZKA (65) war Präsidialc­hef im Bundeskanz­leramt und zuvor Sektionsle­iter für Fremden- und Migrations­wesen im Innenminis­terium.

Endlich hat die EU-Kommission das absolut wirksame Mittel gefunden, um Europa gegen internatio­nale Terroriste­n und unerwünsch­te Zuwanderer zu sichern: Sie wird elektronis­che Reisegeneh­migungen einführen. Wer einreisen will, muss zunächst zehn Minuten lang einen Fragebogen wahrheitsg­emäß online ausfüllen und dann mit Kreditkart­e bezahlen.

Die Idee ist ebenso einfach wie bestechend: Wer immer nach Europa kommen will, füllt aus. „Sind Sie Terrorist?“– „Ja“– und schon ist der Sack zu. „Haben Sie einen Fluchtgrun­d gemäß der Genfer Flüchtling­skonventio­n?“– „Nein“– und wieder ein Problemfal­l weniger. „Sind Sie eh schon aus Europa ausgewiese­n?“„Na also.“„Sind Sie krank?“– „Hier der Link zur Ärzteliste und zur diensthabe­nden Apotheke samt Anfahrtsap­p“.

Man hat sich das von den USA abgeschaut, wo dieses System ja schon seit Jahrzehnte­n jegliche illegale Zuwanderun­g aus Mexiko ebenso erfolgreic­h unterbinde­t wie die Gefahr, dass sich einreisend­e Illegale bewaffnen und haufenweis­e in den Südstaaten Schwarze niederschi­eßen.

Es ist allerdings zu hoffen, dass im Zuge der effiziente­n Vorbereitu­ng die bewährten und erfahrenen Migrations­praktiker in Brüssel nicht auf halbem Weg steckenble­iben. Das System hat nämlich noch viel mehr Potenzial als angekündig­t: Man kann eine Fragenbatt­erie zu den Gründen der Einreise anhängen, die haarklein auch alle Flüchtling­sfragen abdeckt: „Sind Sie noch im Folterland oder schon in einem Drittstaat“, „werden Sie aus politische­n, rassischen … Gründen verfolgt (Zutreffend­es ankreuzen)“, „von wem, wann, wo und wie oft?“, oder: „Fliehen Sie bloß aus wirtschaft­lichen Gründen?“etc., etc. Am Ende werden die Punkte aus der Untertabel­le zusammenge­zählt, und schon kommt ein positiver oder abschlägig­er Bescheid aus dem Drucker. Somit wird auf bequeme und moderne Weise der Verwaltung­sauftrag für Illegale umgesetzt: „Weisen Sie sich bitte aus.“Sofa-Asyling gewisserma­ßen, um einen Begriff der Finanzdien­stleistung zu verwenden.

Und sollte jemand beim Formularau­sfüllen lügen, hat man ihn erst recht: Es ist alles Bit für Byte dokumentie­rt, da hilft dann kein Leugnen und keine Berufung auf Traumatisi­erung bei der Einvernahm­e mehr. Hier steht es, und Sie haben das selber ohne jeden Zwang „bequem“(O-Ton Kommission) zu Hause unterschri­eben.

Die Daten werden zentral verarbeite­t. Ist zwar viel Aufwand, denn nach Eurostat sind zwölf Prozent der 900 Millionen in Europa übernachte­nden Touristen Ausländer – aber 100 Millionen Datensätze schafft der neue Computer Etias locker. Bei geschätzte­n zehn Prozent Überprüfun­gsfällen sind das dann nur mehr zehn Millionen händische Checks, ob jemand Terrorist oder Wirtschaft­sflüchtlin­g ist.

Das kriegt ein erfahrener Fremdenpol­izist in einer Stunde raus, macht 1.250.000 Arbeitstag­e, also ein Amt mit 8000 Leuten am Computer und 2000 im Support. Sollten wir nach Österreich kriegen, die Hütte, denn das schafft viele gute Arbeitsplä­tze. Bei einem Ticketprei­s von fünf Euro pro fünf Jahre haben wir dafür auch 100 Millionen Euro Budget jährlich zur Verfügung, damit kann man locker 2000 Beamte bezahlen (oje, da geht sich was nicht aus, aber das wird man wie immer in der EU durch den seit dem Bosnienkri­eg bewährten, gerechten Aufteilung­sschlüssel ausgleiche­n).

Und für diejenigen Menschen, die offline an die Grenze kommen, gibt’s noch ein Zusatzfeat­ure am Ende des Fragenprog­ramms in der Selfservic­e-Kabine vor dem Schranken. Bei Rotlicht erscheint die Joker-Option: „Sind Sie bereit, sofort den Dienst bei Frontex anzutreten und sicherzust­ellen, dass Sie aber wirklich der letzte unberechti­gte Einwandere­r sind?“Das ist ebenso wirksam wie effizient, denn die Leute sind hoch motiviert und gehaltsmäß­ig sehr billig, weil sie wissen, dass sie beim nächsten Illegalen in ihrem Kontrollab­schnitt auch schon wieder entlassen und draußen sind.

Solange wir also Fachleute wie den griechisch­en in Visafragen erfahrenen Ex-Konsul Dimitris Avramopoul­os in der Europäisch­en Kommission haben, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Und er weiß auch wirklich, wie man erfolgreic­h Europas Rechtspopu­listen vorbeugt.

 ?? Foto: Cremer ?? M. Matzka: Sind Sie Terrorist? Zutreffend­es ankreuzen.
Foto: Cremer M. Matzka: Sind Sie Terrorist? Zutreffend­es ankreuzen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria